Alberta


Reisebericht
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24.08. - 05.09.2015  Vom Mount Robson nach Jasper und auf dem Icefields Parkway

nach Lake Louise, Banff bis nach Waterton


Nach unserer schönen und erlebnisreichen Zeit in British Columbia reisen wir heute südwärts nach Alberta. Die wasserreiche Provinz ist mit Flüssen durchzogen und unzählige schön gelegene Seen laden zum Verweilen ein. In grossen Teilen Albertas wird Getreideanbau und Viehzucht betrieben. Die unbewirtschafteten Gebiete liegen im Südosten, wo tiefe Schluchten und beeindruckende Landschaften zu sehen sind. Die Verödung vieler Regionen durch den Ölschieferabbau schreitet wegen des hohen Wasserverbrauchs schnell voran und schafft enorme ökologische Probleme. Doch wenn's um Geld geht ist der Umweltschutz meistens zweitrangig. Die Erdölgewinnung macht Alberta zur reichsten Provinz Kanadas. Hier befinden sich nach Saudi-Arabien die zweitgrössten Ölreserven weltweit. Alberta verfügt jedoch auch über viele wunderschöne Nationalparks, die wir in den kommenden Tagen besuchen werden. Wir verlassen die menschenleeren Regionen des Nordens und nähern uns zusehends den touristischen Gebieten, in denen es in der Hauptsaison zu- und hergeht wie an einem Samstag in Luzerns schöner Altstadt. Wir
haben bei unserer Reiseplanung darauf geachtet, dass wir in der Nebensaison diese Orte und Nationalparks besuchen, um so den Menschenmassen zu entgehen. Und tatsächlich hält sich das Verkehrsgewühl bei der Einfahrt in Jasper in Grenzen. Wir sind angenehm überrascht, wie entspannt und ruhig alles abläuft. Auch in den beliebten Einkaufsstrassen herrscht überhaupt kein Gedränge. Unsere erste Anlaufstelle ist wie meistens das Visitor Center, wo wir uns mit Kartenmaterial und Infos eindecken, um anschliessend auf Erkundungstour zu gehen. Wir finden mitten im kleinen Städtchen problemlos einen Parkplatz und können in einem Supermarkt die zuneige gehenden Lebensmittelvorräte auffüllen. Mit vollen Einkaufstaschen kehren wir zum Camper zurück und werden sogleich von Landsleuten angesprochen. Ihnen ist das Luzerner Nummernschild ins Auge gestochen und sie haben geduldig auf unsere Rückkehr gewartet, um ein paar Worte mit uns zu wechseln und Reiseerfahrungen auszutauschen. Wir freuen uns immer über solche Begegnungen, die meist unterhaltsam aber auch informativ sind. Nachdem wir unsere „Sieben Sachen“ im Camper verstaut
haben kann es endlich auf Entdeckungsreise gehen. Jasper, der grösste Nationalpark in den kanadischen Rockies, ist wild im wahrsten Sinne des Wortes. Er liegt in einer Landschaft mit weitläufigen Wegen durch schroffes Gelände und gebirgiges Terrain. Auf der Maligne Valley Road fahren wir zum gleichnamigen Canyon und begeben uns auf eine mehrstündige Wanderung in die zerfurchte Schlucht. Vom Parkplatz sind es nur wenige Schritte bis zur ersten von sechs über den Canyon errichteten Brücken. Sie überspannt den Fluss in 40 m Höhe. Durch ihre Lage direkt bei einem Wasserfall eröffnet sie uns eine
imposante Sicht auf das in die Tiefe rauschende Wasser. Beim nächsten „Viewpoint“ hat sich der Maligne River über 50 m tief in den Talboden geschnitten. Die Ausbuchtungen in den Felswänden zeigen, wo die Wassermassen einst den Stein bearbeitet haben. Auf unserer Weiterfahrt gelangen wir zum Medicine Lake, der alles andere als ein normaler Bergsee ist. Im Sommer wird er von Gletscherschmelzwasser gespeist und lässt ihn manchmal über die Ufer treten. Im Herbst und Winter verschwindet der See fast gänzlich. Ein Abfluss, der ihn trockenlegt können wir nicht erkennen. Tatsächlich läuft er wie eine Badewanne nach unten aus und strömt durch ein unterirdisches Höhlensystem bis zum tiefer gelegenen Maligne Canyon, wo das Wasser wieder ans Tageslicht sprudelt. Heute erkunden wir noch den Maligne Lake, der am Ende der 45 km langen Passstrasse liegt. Er befindet sich in einer der landschaftlich reizvollsten Gegenden Kanadas. Auf dem grössten natürlichen See der kanadischen Rockies werden Bootstouren angeboten, die in schöne Buchten führen. Man kann sich aber auch ein Kanu mieten und selbst auf Erkundungstour gehen. Eine Wanderung
am See entlang eröffnet immer wieder  tolle Ausblicke auf die zum Teil mit Schnee bedeckten Berge. Uns gefällt es in dieser landschaftlich reizvollen Gegend so gut, dass wir an einem verschwiegenen Plätzchen am Maligne River für zwei Tage unser Camp aufschlagen. Leider wüten in den umliegenden Provinzen seit geraumer Zeit heftige Waldbrände. Trotz prächtigem Wetter wird die Sicht durch den herbei gewehten Rauch stark beeinträchtigt. Dennoch fahren wir am nächsten Tag mit der Luftseilbahn hinauf zum Whistlers Mountain. Die Fernsicht ist wie befürchtet eingeschränkt, das hält uns aber nicht von der geplanten
Wanderung ab. Von der Bergstation der Seilbahn führt ein steiler Pfad auf eine Anhöhe. Nach einigen Verschnaufpausen erreichen wir die Hochebene. Der Pfad schlängelt sich durch spärlich mit Pflanzen bedeckte Geröllfelder. Wir gelangen zu verschiedenen Aussichtspunkten, die uns wegen der eingeschränkten Sicht nicht sonderlich begeistern. Trotzdem gefällt uns der Ausflug durch die karge von Windböen gepeitschte Landschaft. Zwischen Gesteinsformationen entdecken wir kleine Nager (Pikas, Streifenhörnchen), die mit der
Diätkost hier oben offenbar gut zurecht kommen. Aus der Vogelperspektive erkennen wir wie durch einen Nebelschleier die Häuser von Jasper. Bei guten Bedingungen hätte man hier oben eine fantastische Fernsicht. Hätte, wäre, wenn – alles Wehklagen nützt nichts, es wird noch mehrere Tage dauern bis ein reinigendes Gewitter die Atmosphäre von den Rauchpartikeln befreit. Wir verbringen noch eine Nacht in der Nähe des Städtchens bevor es auf dem Icefields Parkway Richtung Süden weitergeht. Das 230 Kilometer lange Teilstück des Highway 93 gilt als eine der schönsten Fernstrassen der Welt und führt durch die unvergleichliche Berglandschaft der kanadischen Rocky Mountains nach Lake Louise. Die faszinierende Strasse windet sich über Pässe, um türkisblaue Seen, vorbei an Gletschern, Wasserfällen und Bergwiesen. Eine der Hauptsehenswürdigkeiten entlang der Route, die durch Teile der Nationalparks Jasper und Banff führt, ist das Columbia-Eisfeld. Es ist die grösste Eisansammlung südlich des Polarkreises. Seine Fläche beträgt 325 km² und misst an der dicksten Stelle fast 400 m. Das Eisfeld ist das Einzugsgebiet von acht grossen Gletschern. Auf einer schmalen Strasse abseits der Hauptroute gelangen wir zum Fuss des „Ghost und Cavell Glacier“. Wir schnüren die Wanderschuhe und begeben uns auf den 16 km langen „Cavell Meadows Loop“. Bei prächtigem Wetter erreichen wir nach einem kurzen Aufstieg den „Cavell Glacier“ mit
seinem Gletschersee. Immer wieder hören wir Donnergrollen, das nicht auf ein nahendes Gewitter hindeutet, sondern von den abbrechenden Eismassen des Gletschers herrührt. In kurzen Intervallen kalbt der weisse Riese in den Gletschersee. Ein grandioses Schauspiel. Wir bewegen uns hier in Bergregionen in denen Bären leben. Schautafeln mit Verhaltensregeln stehen am Wegesrand. Doch auf der ganzen Wanderung zeigt sich „Meister Pez“ kein einziges Mal. Stattdessen begegnen uns murmeltierartige Wesen, die äusserst zutraulich sind. Der Icefield Parkway ist gesäumt von unzähligen Wasserfällen. Zu den ersten, die wir auf der Weiterfahrt erreichen gehören die „Athabasca Falls“. Hier zwängt sich der breite River durch eine enge Schlucht um 23 Meter Höhe zu überwinden. Auf gut ausgebauten Wanderwegen gelangen wir zu den verschiedenen Stufen des Wasserfalls. Die Fluten haben sich durch eine Schicht harten Quarzits und den darunter liegenden Kalkstein gegraben und dabei eine schmale Schlucht und einige Potholes gebildet. Bei den „Sunwapta Falls“, die wir kurze Zeit später erreichen stürzt das Wasser über zwei Stufen in die Tiefe und bei den relativ kleinen „Tangle Falls“ bobachten wir an der Abbruchkante des Wasserfalls Dickhornschafe, die trittsicher die Felsen erklimmen. Sie sind vorwiegend Gebirgsbewohner und sind häufig auf grasbewachsenen Berghängen in der Nähe von Felsklippen zu finden. Die stattlichen Männchen können bis zu 140 kg schwer werden. Nachdem unser Bedarf an Wasserfällen vorerst gedeckt ist fahren wir zum Athabasca-Gletscher, einer der sechs Hauptzungen des Columbia-Eisfelds. Er ist einer der meistbesuchten Gletscher in Nordamerika. Vom Icefield Centre werden geführte Touren mit speziellen Bussen (den Snowcoaches) auf den Gletscher angeboten. Eigentlich wollten wir eine solche Tour buchen. Leider ist aber das Wetter dermassen schlecht, dass es herausgeworfenes Geld gewesen wäre, denn bei Regen und Nebel sieht man schlichtweg nichts.
Stattdessen unternehmen wir, eingepackt in warme Kleidung, eine kurze Wanderung zur Gletscherzunge. Durch die klimatische Erwärmung hat sich der Gletscher in den letzten 125 Jahren stark reduziert und mehr als die Hälfte seines ursprünglichen Volumens verloren. Zurück bleibt eine Endmoräne, die aussieht wie eine Mondlandschaft. Ein schöner Regenbogen, der sich übers Tal beugt, entschädigt uns etwas für das Schmuddelwetter. Auf der Weiterfahrt machen wir beim „Mistaya Canyon“ halt. Der Mistaya River hat sich markant in die grauen Felsen eingegraben, fast senkrecht ragen die ausgewaschenen Felswände in die Höhe. Die weisse Gischt lässt am Rande des Flusses Moose und Flechten wachsen. Die Kraft resp. Schaffenskraft des Wassers lässt uns immer wieder erstaunen. Das Staunen geht bei der nächsten Sehenswürdigkeit auf dem Icefield Parkway gleich weiter. Denn der Blick auf den „Peyto Lake“ ist schlichtweg sensationell. Der See wird von Gletschern gespeist und ist aufgrund seiner auffälligen türkisen Farbe in vielen Bildbänden über Kanada abgebildet. Diese Wasserfärbung wird durch feine Gesteinspartikel verursacht, die mit dem
Schmelzwasser in den See gelangen. Weiter geht die Fahrt zum „Bow Lake“, an dessen Zufluss die Fliegenfischer hervorragende Bedingungen vorfinden. Die Wetteraussichten sind vielversprechend und so begeben wir uns auf eine vierstündige Wanderung zu den „Bow Falls“. Der Weg verläuft entlang des Seeufers und bietet herrliche Ausblicke in die weitläufige Landschaft. Der See ist wegen der exponierten Höhenlage nur während einiger Sommer- und Herbstmonate eisfrei. Der Pfad schlängelt sich am „Blue Ribbon Bow River“ entlang durch eine vom nahen Herbst gefärbte Flora. Schon aus der Ferne ist der
Wasserfall zu sehen resp. zu hören. Am Ende des Weges überqueren wir einen Schuttkegel und steigen über glitschige Felsen an den Flanken des Wasserfalls empor. Nun stehen wir mitten in den tosenden Wassern und können das grandiose Schauspiel aus nächster Nähe betrachten. Es gibt gewiss höhere Wasserfälle als die „Bow Falls“ aber nur wenige, die so beeindruckend sind. Auf dem Rückweg erfreuen wir uns nochmals an der schönen Natur und setzen uns beim Ausgangspunkt der Wanderung, der „Num-Ti-Jah Lodge“, erschöpft in die bereitgestellten Stühle. Unser nächstes Reiseziel heisst Lake Louise. Der Touristenort ist als Austragungsort alpiner Ski-Weltcuprennen bekannt und deshalb bei Wintersportlern sehr beliebt. Im Sommer und Herbst ist es hier wesentlich ruhiger. Absolutes „Highlight“ ist das Hotel „The Fairmont Château Lake Louise“, ein elegantes Fünf-Sterne-Hotel. Eine Feuersbrunst zerstörte 1924 den gesamten Gebäudekomplex, der umgehend in der jetzigen Form wieder aufgebaut wurde. Mein Schatz sieht sich feudale Luxusherbergen immer gerne an. Die wirklich prächtige Hotelanlage mit Blick auf den See ist wunderschön in die alpine Landschaft eingebettet. Um ein perfektes Foto des ganzen Komplexes zu schiessen,
muss man allerdings eine Wanderung auf einen angrenzenden Bergrücken unternehmen. Über einen steilen Aufstieg Richtung „Lake Agnes“ steigen wir einige hundert Meter hoch und bekommen auf dem serpentinenartigen Trail einen freien Blick auf das prächtige Hotel. Erst aus einer gewissen Distanz wird einem die Traumlage der Anlage wirklich bewusst. Wir machen auf unserer Wanderung einen Abstecher zum „Agnes Tea House“, das idyllisch am gleichnamigen See gelegen ist. Eine gute Geschäftsidee, dieses Tee-Haus. Kaum ein Wanderer geht hier vorbei, ohne das leckere Aufgussgetränk probiert zu haben. Im „Valley of the Ten Peaks“ liegt der „Moraine Lake“, den wir uns auf der Weiterfahrt ebenfalls ansehen. Seine smaragdgrüne Färbung wird durch Partikel des Gletscherabriebs hervorgerufen, die das Licht reflektieren. Anders als die meisten Gletscherseen wurde der „Moraine Lake“ durch die Barriere eines gewaltigen Felssturzes geschaffen. Doch leider ist der Himmel bedeckt und so kommt die Farbe des Gewässers nicht richtig zur Geltung. Alles steht und fällt mit dem Licht – eine alte Fotografenweisheit. Auf unserer Reise durch Süd-, Mittel- und Nordamerika waren wir meistens vom Wetterglück begünstigt. Nun müssen wir seit ein paar Wochen mit schlechteren Bedingungen vorlieb nehmen. Doch wir wollen wegen den paar Regentagen nicht jammern. Auf dem Weg Richtung Süden erreichen wir den „Johnston Canyon“. Ein gut ausgebauter und asphaltierter Weg führt zu den „Lower
Falls“, einem zehn Meter hohen Wasserfall. Wegen der leichten Erreichbarkeit wird dieser von vielen Leuten gern besucht. Das erste Mal seit langer Zeit kommt bei uns wieder so was wie ein Staugefühl auf. Was ich überhaupt nicht ausstehen kann sind Menschenmassen, die durch ihr lautes und nervendes Auftreten den Naturschönheiten ihren mystischen Zauber nehmen. Zum Glück wird der Trail nach dieser ersten Sehenswürdigkeit bedeutend ruppiger. Es begeben sich nur noch wenige Leute weiter auf den drei Kilometer langen Weg zu den „Upper Falls“, die wesentlich beeindruckender sind und ca. 30 Meter in die Tiefe stürzen. Am Ende unserer Fahrt auf dem Icefields Parkway erreichen wir schliesslich Banff. Entgegen ersten Befürchtungen gibt es im „Interlaken Kanadas“ weder auf den Strassen noch in den Fussgängerpassagen ein Gedränge. Auch hier profitieren wir vom Umstand, dass in der Nebensaison längst nicht so viele Touristen unterwegs sind wie sonst üblich. Banff ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Die Bundesregierung hat deswegen einschränkende Massnahmen ergriffen. Es dürfen nur noch Bürger ihren Wohnsitz in Banff nehmen, die dort einen Arbeitsplatz haben. Mit dieser Regelung versucht man die bedrohte Natur im ältesten Nationalpark des Landes besser zu schützen. Der Banff Nationalpark ist stark durch den Konflikt zwischen Naturschutz und Massentourismus geprägt. Er wir jährlich von etwa fünf Millionen Menschen besucht, was für Flora und Fauna sehr belastend ist. Im schön herausgeputzten Banff mit seinen originellen Boutiquen, Restaurants,
Cafés und Shops bummeln wir gerne durch die Gassen der Innenstadt. Martha nimmt die Gelegenheit wahr und spendiert unserer Schmutzwäsche in der „Laundry“ ein Wellness-Paket. In einem Kaufhaus in der City huldigt man den Ski-Cracks längst vergangener Tage. Zu den legendären „Crazy Canucks“ gehörten damals Jim Hunter, Dave Irwin, Ken Read, Dave Murray und Steve Podborski. Sie brachen ab 1971 in die von Europäern dominierte Weltcup-Szene ein und erwarben sich den Ruf eines schnellen und waghalsigen Rennstils. Trotz wiederholter spektakulärer Stürze standen die Mitglieder
der „Crazy Canucks“ oft ganz oben auf den Siegerpodesten. Eine Heldenverehrung der Kanadier, die bis heute anhält. Mein Schatz hat natürlich schon längst herausgefunden, dass es auch in Banff ein feudales Hotel zu besichtigen gibt. So begeben wir uns also zum Luxusbunker „Fairmont Banff Springs Hotel“. Schon die Einfahrt mit der prächtigen Gartenanlage ist beeindruckend. Im Empfangssaal spielt eine mittelalterlich gekleidete Dame leise Klänge auf der Harfe, während die perfekt gestylten Empfangsdamen und -Herren die ankommenden Gäste bedienen. Martha schreitet wie eine noble Madame im Outdoor-Gewand über die imposante Treppe, die zu den „Gemächern“ führt. Interessant sind auch die Katakomben des Hotels. In langen unterirdischen Gängen reiht sich Edel-Boutique an Edel-Boutique. Zu meiner Verwunderung werden in den vielen Geschäften keine Campingartikel angeboten. Nach zwei Tagen Stadtleben zieht es uns wieder hinaus in die Natur. Auf dem Trans-Canadian Highway fahren wir Richtung Waterton Lakes. Während der Nacht ist es nochmals merklich kühler geworden. Dem
Highway 22 folgend überqueren wir einen Pass und werden prompt vom ersten Schnee überrascht. Doch kaum führt die Strasse wieder talwärts ist der Spuk bereits vorbei. Wir reisen durch riesiges Farmland mit friedlich grasenden Kühen und gemähten Wiesen mit sauber aufgereihten Heuballen, die mein Schatz zum 1347-zigsten Mal voller Eifer fotografiert. In der Nähe von Pincher Creek verlassen wir den Highway und fahren auf einer schmalen Schotterpiste durch Bison Baddock. Auf einer hügeligen durch Gletscher geformten Landschaft weidet vor imposanter Bergkulisse eine Herde Bisons – ein Bild für Götter! Gleichentags erreichen wir den Waterton Lakes Nationalpark und fahren auf dem Parkway zum Red Rock Canyon. Die Wiesen und der lichte Baumbestand entlang der Strasse ermöglichen einen guten Blick auf das tolle Bergpanorama. Laut Reiseführer streifen Bären durch die Hänge entlang des Parkway. Und tatsächlich müssen wir nicht lange warten bis Martha einen wohlgenährten Schwarzbär hoch über uns entdeckt. Das kugelrunde Männchen ist bestens für den kommenden Winter gerüstet. Am Ende der Strasse befindet sich der Red Rock Canyon.
Ein kleiner Fluss gräbt sich seit Jahrtausenden durch roten mit weissem Sandstein durchsetzten Tonschiefer und erzeugt damit markante Grinnell-Formationen. Die ziegelrote Farbe im Felsen ist Hämatit (oxydiertes Eisen). Auf einer kleinen Rundwanderung kann diese Laune der Natur aus allen Perspektiven betrachtet werden. Wir übernachten auf einem Campground direkt am See im kleinen Ort Waterton. Am nächsten Morgen schlendern wir durchs Städtchen wo eine Hirschkuh mit ihrem Jungen durch die begrünten Vorgärten streift. Natürlich gibt es auch hier, wer hätte das gedacht, ein geschichtsträchtiges
Hotel. Das „Prince of Wales Hotel“, das auf einer Anhöhe oberhalb des Sees steht, sehen wir uns natürlich auch an. Von der Südseite des Hotels geniessen wir einen beeindruckenden Blick auf den „Upper Waterton Lake“. Beeindruckend ist auch der Wind, mit dem das Siebenstöckige Gebäude seit seiner Eröffnung im Jahr 1927 zu kämpfen hat. Obwohl mit Stahlseilen im Boden verankert, wackelt das Hotel bei Sturm bedrohlich. Im Innern geht es „Very British“ zu. Der ganz in Holz gehaltene Bau ist mit kitschigem Porzellan mit den Konterfeis von Prinz William, Prinzessin Kate inkl. Nachwuchs ausgestattet. Bevor wir den Nationalpark verlassen besuchen wir auf dem Akamina Parkway den stilisierten Bohrturm am Zugang zur ersten produktiven Ölquelle im westlichen Kanada. 1902 stiess man in 312 m Tiefe auf Öl. Doch schnell versiegte der Fluss des schwarzen Goldes. Stattdessen geriet eine andere Pumpstation ausser Kontrolle und verursachte die erste Ölpest Kanadas. Die Verschmutzung der Umwelt ist also nicht eine Erfindung der Neuzeit sondern hat Tradition und wurde schon vor über hundert Jahren praktiziert. Am Ende der Strasse erreichen  wir den „Cameron Lake“. Eigentlich ein perfekter See, um „Bötchen“ zu fahren. Doch ein eisiger Wind bläst uns ins Gesicht und so ziehen wir es vor, zurück in den Camper zu steigen und Richtung USA „abzudüsen“. Wir verlassen vorerst Kanada und werden die restliche Zeit bis zu unserem Abflug im Oktober in den Staaten verbringen. Obwohl Alberta in vielen Teilen touristischer ist als andere Provinzen Kanadas hat es uns hier gut gefallen. Abseits der bekannten und entsprechend von vielen Leuten besuchten Regionen findet der Naturfreund noch immer genügend reizvolle Gegenden, die vom Massentourismus völlig verschont geblieben sind. Und wenn man ausserhalb der Hochsaison reist strahlen selbst Orte wie Jasper, Lake Louise und Banff eine gewisse Behaglichkeit aus.


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