Montana



Reisebericht
Bildergalerie


06.09. - 11.09.2015  Von Waterton über die Going-to-the-Sun Road, Great Falls,

Livingston Richtung Wyoming


Nach dem erwartungsgemäss problemlosen Grenzübertritt von Kanada in die USA fahren wir auf dem Highway 89, auch Chief Mountain International Highway genannt, Richtung Süden. Seinen Namen
verdankt die Strasse dem 2'760 m hohen Chief Mountain, ein einsamer, Ehrfurcht gebietender Berg, der den ganzen Horizont beherrscht. Wenn Blackfoot-Indianer geistlichen Rat suchen binden sie noch immer bunte Tücher als traditionelle Opfergaben an die Bäume zu Füssen des Berges. Eigentlich würde der tafelbergähnliche Riese perfekt ins Monument Valley passen, die Farbe des Gesteins und die umgebenden Wälder deuten aber auf seine nördliche Herkunft hin. Schon nach kurzer Fahrzeit erreichen wir den Glacier Nationalpark, unser erstes Etappenziel in Montana. Das Gebiet gilt als Wanderparadies und ist deshalb bei Naturliebhabern sehr beliebt. Die in vielen Tönungen schillernden Berge, an denen die Gletscher von einst Wände und Zacken herausgefeilt haben, steigen abrupt über Ebenen auf. Rund 750 Seen, Dutzende Gletscher und zahllose Wasserfälle glänzen zwischen schroffem Fels und bewaldeten Tälern. Eine Panoramastrasse, an der viele Wanderwege liegen, führt durch den Park. In den weitläufigen Gebieten leben Elche, Hirsche,
Dickhornschafe sowie Bergziegen. Schwarz- und Grizzlybären durchstreifen die Wälder der Hochregionen. Wir fahren von der Ostseite des Parks zum Many Glacier Ressort, das idyllisch am Swiftcurrent Lake liegt. Trotz miserablem Wetter begeben wir uns auf die 18 km lange Wanderung hinauf zum Iceberg Lake. Der Pfad führt steil den Berg hoch. Immer wieder bieten Aussichtspunkte fantastische Blicke auf Seen und die weite Landschaft. Tief unten am Josephine Lake erblicken wir einen Elchbullen, der bauchtief im See steht und nach schmackhaften Gräsern sucht. Wir bewegen uns in
Bärengebiet und müssen auf den einsamen Pfaden entsprechend vorsichtig sein. Vor allem bei unübersichtlichen Wegbiegungen machen wir durch lautes Sprechen auf uns Aufmerksam. Wir verzichten bewusst auf Bärensprays und Glöckchen, die ständig bimmeln. Vom in Kanada lebenden Nordamerika Experten und Buchautor Axel A. Zarbock haben wir erfahren, dass bei Begegnungen mit Bären die Anwendung der Sprays äusserst umstritten ist. Viele sprühen sich in der Aufregung selbst ins Gesicht statt den
Angreifer zu treffen. Und an die Glöckchen haben sich die schlauen Bären längst gewöhnt. Diese haben keine abschreckende Wirkung, im Gegenteil. Sie signalisieren Meister Pez, dass Touristen in der Nähe sind und dass evtl. Essensreste herumliegen. Am heutigen Tag haben wir Glück aber auch Pech, je nach Erwartungshaltung, denn wir begegnen keinem Bären. Schon nach wenigen Kilometern auf dieser anspruchsvollen Wanderung sind wir uns einig, dass dies trotz schlechtem, nasskaltem Wetter, eine der schönsten Touren ist, die wir je gemacht haben. Wir bewegen uns permanent auf Wegen die zugleich Aussichtsplattformen sind. Auf einer Hochebene entdecken wir „Bighorn Sheeps“, die auf dem Weg zum Nachtlager sind. Unsere Anwesenheit beunruhigt die scheuen Tiere, denn der Wildpfad führt nur knapp zehn Meter an uns vorbei. Als erster wagt sich ein Bulle vor. Er wirft sich demonstrativ in Pose und will damit wohl seine Kraft demonstrieren. Die anderen Mitglieder der Herde, Weibchen mit ihren Jungen folgen dem Anführer. Nach wenigen Minuten sind sie hunderte Meter aufgestiegen und nicht mehr zu sehen. Weil es schon später Nachmittag ist müssen wir uns beeilen, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit zurück im Tal sind. Denn nachts durch Bärengebiet streifen ist nicht so prickelnd. Noch müssen einige happige Aufstiege bewältigt werden bevor wir zum Iceberg Lake gelangen. Doch die Anstrengung hat sich gelohnt. Wir geniessen den Blick auf den türkisfarbenen Gletschersee auf dem vereinzelte Eisberge schwimmen und gönnen uns einen Moment der Ruhe und absoluten Stille in dieser wildromantischen Landschaft. Beim Abstieg ist das Wetter immer noch besch...eiden. Es regnet und der Wind treibt Nebelschwaden die Berghänge hoch. Wir sind zügig unterwegs und so erreichen wir noch vor Einbruch der Dunkelheit den Camper beim Swiftcurrent Lake. Wir fahren noch einige Kilometer talwärts und gelangen über St. Mary zu einem State-Forest-Campground am
Fuss des Logan Passes. Obwohl ziemlich müde von der anstrengenden Wanderung stellt sich mein Schatz in die Küche und zaubert uns ein leckeres Abendessen auf den Tisch. Schweinefilet-Braten im obligatorischen Saucensee mit Kartoffelstock. Ohhh wie ich das Gericht liebe! Wetterbedingt bleiben wir zwei Tage vor Ort und warten bis die steife Brise von Westen die Regenwolken vertrieben hat. Und tatsächlich sind in der Nacht die ersten Sterne am Firmament zu sehen und es erwartet uns ein strahlender Herbstmorgen. Wir sind früh auf den Beinen, machen den Camper reisefertig und fahren auf der „Going-to-the-Sun Road“ Richtung Logan Pass. Die ersten Sonnenstrahlen treffen auf die Berggipfel und lassen diese rot erglühen. Die knapp 85 km lange Verbindung der Ost- und Westseite des Parks über den Logan Pass gilt noch heute als Meisterwerk der Ingenieurskunst und präsentiert uns ein überwältigendes Bergpanorama. Für die Befahrung dieser Strasse gelten Grössenbeschränkungen der Fahrzeuge. Unser kleiner „Gecko“ schafft diese Hürde natürlich locker.
Er ist zwei Fuss (ca. 60 cm) kürzer als die maximal erlaubte Länge „Small is beautiful”. Auf dem Logan Pass (2'000 m ü.M.), hoch oben auf der Great Divide, begeben wir uns auf den Hidden Lake Trail. Die rund fünf km lange Wanderung führt an Blumenwiesen vorbei, die von Bergriesen umrahmt sind. In den letzten Tagen ist bereits der erste Schnee gefallen und am frühen Morgen sind die Pfade noch stark vereist. Wir gehen wie auf rohen Eiern, sind vorsichtig und bleiben dadurch von gröberen Stürzen verschont. Vom Hidden Lake Overlook haben wir einen fantastischen Blick auf den 2'650 m hohen Bearhat
Mountain und den tiefblauen See, der zu seinen Füssen liegt. Weil das Wetter inzwischen bilderbuchmässig ist packt uns die Wanderlust und wir begeben uns kurz nach Überquerung der Passhöhe auf den 18 km langen Highline Trail. Auf einer mehrtägigen Tour könnte man bis zum 65 km entfernten Waterton wandern – das ist uns aber etwas zu weit. Doch schon die verkürzte Route ist eine Wucht. Wir marschieren auf einem schmalen Pfad oberhalb der Passstrasse und geniessen herrliche Rundblicke. Ein Teil des Weges ist aus der senkrecht
abfallenden Felswand gehauen und wahrlich nichts für Zaghafte. Wieder ist es uns gegönnt, Wildtiere zu beobachten. Auf Alpwiesen schauen wir Bighorn Schafen beim Weiden zu und am Scheitelpunkt unserer Wanderung entdecken wir auf einer Krete eine Herde „Mountain Goats“ (Bergziegen), die talwärts absteigen. Der „Big Boss“, ein stattlicher Bulle, geht voraus. Ihm folgen die Weibchen mit ihren Jungen. Nachdem wir auch heute wieder etliche Wanderkilometer in den Beinen haben fahren wir die restliche Strecke der „Going-to-the-Sun Road“ hinunter und übernachten am Westeingang des Nationalparks. Über Great Falls reisen wir am nächsten Tag südwärts Richtung Wyoming. Auf unendlich langen Geraden geht es durch Farmland, welches sich stellenweise bis zum Horizont erstreckt, aufgelockert von wenigen kleinen Orten, in denen wir tanken und einkaufen. Die Strasse führt durch das Gebiet der Schwarzfuss Indianer. Die einfachen und etwas unordentlichen Behausungen der indigenen Bevölkerung hebt sich deutlich von den schönen
Farmen und Farmhäuser der weissen Siedler ab. Montana gehört zur Kornkammer Amerikas. Leider wird durch Monokulturen der Boden geschädigt. Weil seit einigen Jahren die Niederschlagsmengen deutlich zurückgehen, müssen fast alle Felder künstlich bewässert werden, was ökologisch äusserst problematisch ist. Man pumpt Wasser aus der Erde, dadurch sinkt der Grundwasserspiegel bedenklich. Künftige Generationen werden unter diesem Fehlverhalten zu leiden haben. In einem fein herausgeputzten Städtchen begegnen uns liebevoll restaurierte Oldtimer, die für den Sonntagsausflug bereit stehen. Ihre ebenso betagten Besitzer diskutieren angeregt über die Vorzüge der vermeidlich primitiven Technik der Ford's, Chevi's, Studebaker's und wie sie alle heissen aus der guten alten Zeit. Eine Szenerie wie aus einem Heimatfilm der 50iger Jahre. Morgen reisen wir nach Wyoming, um den ältesten und wohl bekanntesten Nationalpark der USA zu besuchen. Wir sind schon sehr gespannt auf die vom Feuer des Erdinnern geschaffenen Landschaften, auf die brodelnden Geysire und die vom schwefelhaltigen Wasser geformten Kalksteingebilde.


Die weiteren Berichte sind unter der Rubrik Wyoming (Reiseberichte / Bildergalerie) zu finden.