British Columbia

Yukon / Teil 2


Reisebericht
Bildergalerie


15.08. - 23.08.2015  Von Skagway nach Watson Lake, Fort Nelson, über den Alaska

Highway nach Prince George und über den Yellowhead Highway zum Mount Robson


Der Abschied von der Provinz Northwest Territories fällt uns schwer. Die einmaligen, menschenleeren und zum Teil heute noch unberührten Landschaften mit ihrem unermesslichen Reichtum an Pflanzen und Tieren hat unsere hochgesteckten Erwartungen weit übertroffen und werden uns unvergesslich in Erinnerung bleiben. Unsere Tour führt uns künftig stetig südwärts mit einem ersten Zwischenhalt in Watson Lake. Der überschaubare Ort ist das „Tor zum Yukon River“ am Alaska Highway. Berühmt ist die mit rund 1'450 Einwohnern drittgrösste Gemeine Yukons vor allem durch den oft fotografierten Schilderwald, der 2009 sogar auf einer kanadischen Briefmarke zu Ehren kam. Dieser wurde 1942 von einem heimwehkranken amerikanischen Soldaten, der am Bau des Alaska Highway mitwirkte, angelegt: Er stellte
damals die erste Tafel „Danville Illinois“ (seiner Heimatstadt) auf. Über die Jahre taten es ihm viele vorbeikommende Reisende gleich und hängten hier ebenfalls Schilder hin. Jedermann ist willkommen, dem heute schon 76'000 Ortstafeln, Autonummern und andere Schilder aufweisenden „Sign Post Forest“ ein weiteres Exemplar beizufügen. Wir schlendern staunend durch den nicht enden wollenden Schilderwald und stellen mit Genugtuung fest, dass die Schweiz mit vielen Widmungen prominent vertreten ist. Ja die Schweizer sind schon ein reiselustiges „Völkchen“. Das stellen wir immer wieder fest. Schweizer sind gemessen an ihrer Einwohnerzahl völlig übervertreten und schlagen, wenn auch nicht im Fussball sondern beim Reisen sogar die reisefreudigen Deutschen. Wir wollen in Dawson Lake den zuneige gehenden Lebensmittelvorrat auffüllen. Vor einem kleinen Supermarkt werden wir wie schon oft wegen unseres speziellen Campers angesprochen. Schnell wechseln wir die Konversation mit dem neugierigen Herrn von englisch auf deutsch. Er erzählt uns, dass er ein ausgewanderter Deutscher ist. Es ist erstaunlich wie akzentfrei er auch nach über vierzig Jahren in Kanada seine Muttersprache spricht, auf die er sehr stolz ist. Statt einzukaufen lauschen wir gespannt seinen Erzählungen über die Zeiten wo noch kaum Touristen den Weg in die damals erst rudimentär erschlossenen Gebiete fanden. Im weiteren Gesprächsverlauf stellt sich heraus, dass es sich beim sympathischen Herrn um den Schriftsteller Axel A. Zarbock handelt, der mit einem VW Bus
unterwegs ist. 1967 wanderte er nach Kanada aus. Sooft es ihm erlaubt war, verbrachte er seine Zeit in der kanadischen Wildnis. Mitte der 70er Jahre erfüllte sich sein Lebenstraum. Mit zwei deutschen Geschäftspartnern, erwarb er eine Ranch, direkt am historischen Alaska Highway. Ein riesiges Jagdgebiet gehörte auch dazu. Seinen zweiten Traum erfüllte er sich, indem er Buschpilot wurde. Neben der Jagd, wagte er mit seinen erfahrenen indianischen Führern etwas vollkommen Neues: Er bot Abenteuersuchenden Erlebnistouren auf den Rücken von Reit und Packpferden in einer der schönsten und wildesten Landschaften der Welt, den Rocky Mountains an. Vieles was er damals erlebte war einzigartig. In seinem Buch: “ Grizzlys und dicke Bohnen”, was wir in der Zwischenzeit mit Spannung gelesen haben, erzählt er von Begegnungen mit Grizzlys und Wölfen und dem Leben als Buschpilot. Es war das Ende einer Zeitepoche, die noch von Abenteuer- und Pioniergeist geprägt war. Doch auch von den historischen Ereignissen des nördlichen Zipfels Nordamerikas, berichtet er enthusiastisch in seinem Buch. Aus berufenem Munde erfahren wir schliesslich, was auf unserer Weiterfahrt sehenswert resp. getrost ausgelassen werden kann. Nachdem er uns alles Wissenswerte mitgeteilt hat signiert er uns bei der Verabschiedung sein absolut lesenswertes Buch. Wir sind glücklich diesen interessanten Menschen getroffen zu haben, dem wie uns die Wildnis näher steht als die Grossstadt. Schnell kaufen wir das Notwendigste ein, was wir eigentlich vor einer Stunde machen wollten und fahren auf dem im Buch beschriebenen Alaska Highway südwärts. Offiziell erhielt die Strasse im März 1942 ihren heutigen Namen. Nach der Fertigstellung war der Highway eine reine Schotterpiste. Seitdem wurde die Strasse immer weiter ausgebaut und begradigt. Erste Planungen für eine Strassenverbindung nach Alaska gab es bereits 1930. Mit dem Angriff der Japaner im Dezember 1941 auf Pearl Harbor wurde die Verwundbarkeit Alaskas und damit die militärische Bedeutung einer solchen Strasse evident. Am 6. Februar 1942 wurde der Bau durch die US-Armee befürwortet und fünf Tage später von Präsident Roosevelt angeordnet. Der Bau wurde mit einem massiven Einsatz von Menschen und Material vorangetrieben. Über 10'000 Soldaten wurden eingesetzt. Unter härtesten Bedingungen arbeiteten Militär- und Zivilpersonen an sieben Tagen in der Woche an der Fertigstellung. Nach nur gerade sieben Monaten war der über 2'200 km lange Alaska Highway fertiggestellt. Eine unglaubliche Mammutleistung, wenn man die schwierigen geologischen Verhältnisse mit in Betracht zieht. Der heutige Alaska Highway hat nichts mehr mit der ursprünglichen mit Schlaglöcher durchsetzten Piste zu tun. Wir fahren auf einer gut ausgebauten, asphaltierten Strasse durch weite Landschaften. Schilder weisen darauf hin, dass wir in das
Gebiet der Bisons einreisen. Und tatsächlich müssen wir nicht lange warten um ein Prachtsexemplar dieser Gattung, genüsslich am Strassenrand grasend, zu entdecken. Wenige Kilometer später blockiert eine ganze Herde die Fahrbahn. Diese an sich friedlichen Tiere können ungeahnte Kräfte entwickeln und die Bullen sind vor allem in der Paarungszeit äusserst reizbar. Deshalb ist es nicht ratsam den Camper zu verlassen sondern das Geschehen in gesicherter Position aus dem Fahrzeuginnern zu beobachten. Die Tiere haben es
überhaupt nicht eilig und lassen uns eine geschlagene halbe Stunde warten, bevor sie die Strasse freigeben. Der Alaska Highway durchquert einsame Gegenden, die Heimat vieler Wildtiere sind. So ist es nicht erstaunlich, dass immer wieder Karibus und Dickhornschafe die Fahrbahn überqueren. Es empfiehlt sich deshalb die Reisegeschwindigkeit zu drosseln und stets achtsam zu sein. Ausserdem ist es viel zu schade hier einfach durchzurasen. Die Strasse schlängelt sich durch sanfte Hügellandschaften an mit Seerosen bedeckten Gewässern vorbei. Der Herbst hält Einzug und lässt Blätter niederwüchsiger Büsche in einem leuchtenden Gelb erscheinen, einer  blühenden Blumenwiese gleich. In den von Menschen besiedelten Gebieten weiden Schafherden auf ebenfalls gelben Weiden. Das Gras ist nicht etwa mangels Wasser verdorrt sondern gelb pigmentiert, ähnlich wie in Australien. Wir bewegen uns inzwischen auf dem Yellowhead Highway. Dieser verläuft von Winnipeg (Manitoba) über 2'690 Kilometer nach Prince Rupert (British Columbia). In dieser Gegend ist eine intakte Holzindustrie angesiedelt. Auf dem Highway fahren hunderte Lastwagen mit geschlagenen Holzstämmen aus  riesigen Waldgebieten. In Sägewerken mit XXL-Ausmassen wird das Holz verarbeitet und meist zu Bretter für die Bauindustrie zurechtgeschnitten. Fast alle
Häuser in Kanada und in den USA bestehen zu einem grossen Teil aus Holz. Gebäude aus massiven Backsteinmauern sieht man eher selten. In Prince George verlangt „Gecko“ mit leuchtender Schrift im Armaturenbrett einen Ölwechsel, was wir ihm nach rund 55'000 km nicht verwehren können. Es ist erstaunlich wie genügsam unser Camper ist. Bis jetzt war er einmal (in Mexiko) in der Inspektion und nun ist ein  Ölwechsel fällig – und schon ist der kleine Racker wieder glücklich. Der Dieselverbrauch beläuft sich je nach Gelände zwischen 9 und 11 Litern pro 100 km. Alles Daten, die uns äusserst
zufrieden stimmen. Auf der Weiterreise machen wir einen kleinen Abstecher zum „Ancient Forest“. Eine Wanderung führt durch einen antiken Binnenregenwald. Wir verbringen zwei Stunden in dieser Märchenlandschaft mit alten Baumriesen. Es ist eine leichte Wanderung, bestückt mit informativen Schautafeln, die zu einem versteckten Wasserfall führt. Wir sind einstimmig der Meinung, dass man sich diesen Wald unbedingt ansehen sollte. Auf der Weiterfahrt am Fraser River entlang sehen wir bei einer Stromschnelle den Lachsen zu, wie sie auf
spektakuläre Weise versuchen dieses natürliche Hindernis zu überwinden. Wir nehmen uns genügend Zeit, um das einmalige Schauspiel zu beobachten. Es ist unglaublich welcher Kraftanstrengung es bedarf, die reissenden Wasser und die Felsblockaden zu überspringen. Auch nach etlichen gescheiterten Versuchen geben die Fische nicht auf und versuchen es immer wieder von Neuem. Es ist bemerkenswert mit welcher Ausdauer die Lachse das Ziel verfolgen, die Laichgründe am Oberlauf des Flusses zu erreichen. Viele schaffen diese Hürde nicht und gehen vorzeitig vor Erschöpfung zu Grunde. Ihre Kadaver treiben leblos den Fluss hinunter. Ein trauriges Bild. Unser letztes Ziel in British Columbia ist der Mount Robson Provincial Park. Herzstück dieses Parks ist der mit 3'954 m höchste Berg der Kanadischen Rockies. Der Mount Robson liegt in einer Bergkette der Rocky Mountains. Es gibt keine leicht begehbaren Routen, die auf den Gipfel führen, so dass nur eine Handvoll Bergsteiger jedes Jahr dieses Ziel erreichen. Nur schon der Anblick dieses Riesen vom Highway aus ist beeindruckend. In der Schweiz gibt es Berge, die über 4'000 m hoch sind aber kaum einer der über 3'000 m fast senkrecht in die Höhe ragt. Wir erheischen einen Blick vom fast wolkenfreien Gipfel und sind völlig ergriffen. Leider wird das Wetter vorübergehend schlechter und
der Berg verhüllt sich wie meistens wieder hinter einem Schleier. Wir beschliessen eine Nacht abzuwarten um am folgenden Tag auf einer ausgedehnten Wanderung zum Fuss des Mount Robson vorzudringen. Ein strahlender Sonnenaufgang am Morgen belohnt uns für das Ausharren. Vom Visitor Center aus, wo wir Kartenmaterial holen, zeigt sich der Berg in seiner ganzen Pracht. Wir machen uns auf den Weg in das Naturschutzgebiet. Dieses liegt an der Provinzgrenze zu Alberta und grenzt westlich an den Jasper-Nationalpark. Die tiefen Lagen des Parks sind mit Bergwald aus Fichten bedeckt. In den
Sümpfen des Moose Lake sind Elche heimisch, daneben leben in den Wäldern Hirsche sowie Schwarzbären. In den höheren Lagen oberhalb der Baumgrenze und in den Felsregionen kommen Waldkaribus, Grizzlybären, Schneeziegen, Dickhornschafe und Pikas vor. Auf unserer 20 km langen Wanderung Richtung Berg Lake durchstreifen wir Gebiete mit fischreichen Flussläufen und smaragdgrünen Seen, die im gleissenden Sonnenlicht leuchten. Schmale Brücken führen über reissende Bäche und provisorische Holzstege, die nur bei Niedrigwasser begehbar sind, verbinden Flussbette miteinander. In den schattigen Wäldern gedeihen unzählige Pilzarten. Diese Leckerbissen sind eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan der Bären. Die niedlichen Eichhörnchen lassen die Pilze links liegen. Sie ernähren sich von anderen Früchten des Waldes und finden in Form von Tannenzapfen und Nüssen einen reich gedeckten Tisch. Rund um den Moose Lake machen wir an den schönsten Plätzen halt und geniessen die prächtige Aussicht. An verschiedenen Stellen können wir immer wieder zum wolkenfreien Gipfel des Mount Robson aufschauen. Nach rund sechs Stunden sind wir von der tollen Wanderung an einem herrlichen Frühherbsttag zurück und verbringen nochmals eine Nacht auf dem Campground, der direkt am Parkeingang liegt. Morgen verlassen wir British Columbia und werden nach Alberta reisen und die Nationalparks dieser ebenfalls reizvollen Provinz besuchen. British Columbia gehört sicherlich zu den schönsten und abwechslungsreichsten Gegenden in Kanada. Wunderschöne kleinere und grössere Städte wechseln sich mit fast menschenleeren imposanten Landschaften ab, die eine reichhaltige Flora und Fauna hervorbringen. Uns hat es hier ausserordentlich gut gefallen. Wiederum verlassen wir mit etwas Wehmut eine Region in der wir glückliche, überwältigende, atemberaubende (der Attribute gäbe es noch viele) Stunden und Tage verbracht haben. Wir trösten uns damit, dass wir auf unserer Weiterreise sicherlich noch einige Ahhh- und Ohhh-Momente erleben dürfen.


Die weiteren Berichte sind unter der Rubrik Alberta (Reiseberichte / Bildergalerie) zu finden.