North Island


Reisebericht
Bildergalerie
Videoclips


26. - 28.10.2011  Das Abenteuer kann beginnen


Nach monatelanger Vorbereitungszeit mit oftmals mehr und manchmal weniger Stress, nach Wohnungs- und Geschäftsräumung, nach endlosen bürokratischen Abklärungen und Formalitäten, nach unzähligen  feuchtfröhlich durchzechten Nächten mit Familie und Freunden im Hotel Mamma und nach wehmütigem Abschiednehmen von unseren Liebsten kann es nun endlich losgehen. Mit dem Zug geht es nach Zürich zum Flughafen. Alles Notwendige zum „Überleben“ haben wir in je einem Koffer und einem Rucksack dabei – hoffentlich! Am Flughagen Kloten treffen wir nach
dem einchecken bei der British Airways ein befreundetes Ehepaar, Helene und Henri, das tolle Ferien in der Südtürkei verbracht hat und uns zum Abschied auf einen Drink an der Flughafenbar eingeladen hat. Doch bald schon wird unser Flug nach London aufgerufen und nach der Pass- und Gepäckkontrolle geht es mit dem Rücksack als Handgepäck in den Flieger. Nach einem kurzen und ruhigen Flug landen wir pünktlich um 15.30 Uhr in Heathrow. Seit Kurzem wird das Gepäck von den Fluggesellschaften durchgecheckt, das heisst, dass wir unsere Koffer erst wieder in Auckland in Empfang nehmen werden – hoffentlich! In London haben wir nun gut zwei Stunden Aufenthalt, die wir Nutzen, um mit dem Bus das Terminal zu wechseln (Fahrzeit 20 Minuten) und uns die Bordkarte bei der Air New Zealand für den Weiterflug nach Los Angeles zu besorgen. Nach einer weiteren Handgepäck- und Passkontrolle können wir wieder pünktlich die 747-400 (Jumbo-Jet) nach Los Angeles besteigen. Dank schönem Wetter verläuft auch dieser Flug ohne Probleme und nach gut 11 Stunden Flugzeit erreichen wir das nächtliche Los Angeles. Der Landeanflug auf diese Millionenmetropole ist bei Nacht besonders spektakulär. Die Einreise in resp. der Transfer durch die USA ist wegen der strengen Sicherheitsvorschriften immer etwas mühsam. Doch Air New Zealand hat mit dem Flughafenbetreiber eine Vereinbarung getroffen, wonach Reisende mit ihrer Fluggesellschaft eine bevorzugte und etwas weniger stressige Abfertigung erhalten. Trotzdem werden natürlich von jedem Passagier die Fingerabdrücke genommen und ein Foto gemacht. Um 22.30 Uhr heben wir dann wieder mit der 747 Richtung Auckland ab. Wieder erhalten wir nach kurzer Flugzeit die kulinarischen “Delikatessen“, die wir schon gleich oder ähnlich während der ersten und zweiten Etappe unserer Flugreise erhalten haben. Mann soll nicht murren, wir gehen ja nicht wegen des Essens auf Reisen, aber wir sind in den letzen Wochen im Hotel Mamma so verwöhnt worden, dass unsere Ansprüche schon recht gestiegen sind. Der Flug nach Neuseeland verlangt uns schon einiges ab. Die reine Flugzeit dauert über 24 Stunden und mit den Aufenthalten zwischen den Fügen dauert das Ganze über 30 Stunden. Am Morgen des 28.10.2011 um 7.10 erreichen wir dann nach 18‘400 km Flugkilometern etwas erschöpft aber trotzdem frohen Mutes Auckland. Nun stellen wir uns die grosse Frage – haben sie oder haben sie nicht, unser Gepäck nach dem zweimaligen umsteigen auf den richtigen Flieger geschickt? Die erlösende Antwort bekommen wir bei der Gepäckausgabe - siehe da, sie liegen auf dem Förderband. Die Einreise in Neuseeland gestaltet sich in einer lockeren Atmosphäre. Die Leute am Zoll und bei der Imigration sind sehr nett, fröhlich und hilfsbereit. Nur der eine Koffer, der unsere Wander- und Treckingschuhe enthält wird genau unter die Lupe genommen. In Neuseeland hat man Angst davor, dass fremde Pflanzen über den Schmutz an den Schuhen eigeschleppt werden könnten. Deshalb hat Martha, in vorausschauender Vorsicht  und in ihrer typischen Art unsere Schuhe keimfrei gereinigt, was die Beamten bei der Einwanderungsbehörde ins Entzücken gebracht hat. So werden wir von den Kiwis nun herzlich willkommen geheissen. In der Ankunftshalle erwartet uns bereits Tell, ein Cousin von Martha, der schon über 30 Jahre in Neuseeland lebt und der
uns in seiner Grosszügigkeit angeboten hat, uns in den nächsten Tagen als Reiseführer die Stadt Auckland und die Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Nach inniger Begrüssung, wir haben Tell schon seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen, und nach einem ausgezeichneten Kaffee im Flughafenrestaurant ist auch Kurt Binder von Banz Travelcars, der Vermieter unseres Campervans, bei uns am Flughafen eingetroffen. Ein ausgesprochen sympathischer Auslandschweizer, der uns auf einem nahegelegenen Parkplatz unser Fahrzeug, das nun für die nächsten drei Monate unser Zu Hause sein wird, im Detail erklärt und uns ein paar nützliche Tips über Land und Leute gegeben hat. Nun liegt es an mir unser kleines Wohnmobil auf der richtigen Strassenseite, das ist bei den Neuseeländern links, an unser heutiges Etappenziel zu bringen. Zum Glück fährt Tell mit seinem Wagen voraus und ich kann mich mit unserem Campervan dahinter setzen und die Eigenheiten der Fahrweise der Kiwis studieren. Nach einer Fahrt von
ca. 40 Minuten kommen wir bei der Wohnadresse von Tell an. Tell wohnt in einer Einliegerwohnung bei einem aufgestellten und sehr gastfreundlichen Schweizer Ehepaar (Chris & Vreni), deren Haus an etwas erhöhter Lage mit Meerblick in traumhafter Natur umgeben von tropischen Pflanzen steht. Wieder einmal haben wir Glück, denn Vreni & Chris erlauben uns den Campervan in der Einfahrt für ein paar Tage zu parkieren. Chris und Tell legen sogar ein Stromkabel zu unserem Van, damit wir mit der nötigen Energie versorgt sind. Wir sind nun schon seit fast 2 Tagen ohne richtigen Schlaf auf den Beinen. Trotzdem dürfen wir uns so kurz vor Mittag nicht zum Schlafen legen. Damit wir uns an die Zeitumstellung gewöhnen, bleiben wir wach und gehen mit Tell auf Erkundungstour durch Auckland. Tell vermittelt uns auf unserem ersten Trip ein paar Eindrücke von der Stadt in der gut 1,2 Millionen Leute leben. Diese Metropole wirkt durch die Bauweise, meistens Einfamilienhäuser mit viel Grün drumrum, nicht wie eine Grossstadt. Auch fehlt hier die gewohnte Hektik, die man sonst an einem solchen Ort erwartet. Von einigen Hügeln aus, die alle einen vulkanischen Ursprung haben, kann man die eindrückliche Ausdehnung dieser Stadt erleben. Inzwischen sind schon wieder einige Stunden vergangen und wir müssen uns mit den nötigsten Dingen für die nächsten Tage versorgen. Tell fährt mit uns zu einem Kaufhaus und zeigt uns was wir wo bekommen und dass man das wohlverdiente Bier für das Abendessen nicht im Supermarkt sondern nur in Liquor Stores bekommt. Das angesprochene Abendessen fällt heute nicht sehr üppig aus. Wir sind zu müde zum Kochen und begnügen uns mit ein paar belegten Broten. Nun endlich legen wir uns in unserem Campervan die erste Nacht aufs Ohr. Doch halt so schnell geht das nicht. Erstmals alles verstauen. Marthas Blick verheisst nichts Gutes. Wo soll denn all unser Gepäck hin. Ich als Chaot sehe das nicht so dramatisch und lasse Martha einräumen. Und wie durch Zauberhand bewegt, findet schlussendlich jedes Ding seinen Platz. Aber noch immer können wir nicht ins Bett. Zuerst muss das Bett aufgebaut und bezogen werden. Recht anstrengend, dieses Campieren, denke ich. Endlich legen wir uns hundemüde in die Kojen und fallen blitzartig ein einen narkoseartigen Schlaf.


29.10. - 1.11.2011  Rund um Auckland


In der ersten Nacht in unserem fahrenden zu Hause haben wir wider erwartend gut geschlafen. Ein breites Bett, eine ausreichende Polsterung und die entsprechende Müdigkeit haben dazu beigetragen, dass wir eine entspannte Nacht verbringen. Wenn sich die Blase mal meldet ist allerdings ein kleiner Fussmarsch mit Stirnlampe zu der Toilette fällig. Aber an solche Rituale gewöhnen wir uns schnell. Schwieriger gestaltet sich das richtige platzieren aller Utensilien im Campervan. Da wirklich nur sehr wenig Platz vorhanden ist muss man beim Verstauen logisch vorgehen. Martha hat da ihr eigenes System, das  sie aber täglich wieder ändert, bis das machbare Optimum erreicht ist. Auf so engem Raum muss man auf viele gewohnte Annehmlichkeiten, die wir vorher gehabt haben, verzichten. Erstaunlicherweise fällt uns das überhaupt nicht schwer. In den nächsten Tagen ist Tell unser Reiseleiter
in und rund um Auckland. Er zeigt uns wo wir was bekommen, die Eigenheiten des neuseeländischen Strassenverkehrs und die schönsten Plätze rund um die Millionenstadt Auckland. Tell ist ein ausgezeichneter Autofahrer und bewegt sich wieselflink auf den manchmal überfüllten Strassen. Wir haben uns in der Schweiz ein Navi gekauft und die Software der Karten von Neuseeland und Australien bereits in der Schweiz installiert. Nun kommt der grosse Moment – funktioniert das hier auch wirklich. Auf einer Fahrt mit Tell in die Innenstadt nehme ich das Navi mit und schalte es ein. Tatsächlich arbeitet das Gerät reibungslos. Wir sind erleichtert, denn wenn wir uns nach ein paar Tagen alleine in Neuseeland bewegen ist so ein elektronisches Hellferlein eine gute Sache. Früher konnte man mit Karte und Kompass auf Reisen gehen. Heute braucht man, sage ich, ein Navi, ein Laptop, ein WiFi-Modem, ein Natel, eine gute Kamera mit entsprechenden Objektiven und gefühlte 10 Ladegeräte um all diese Dinge in Schwung zu halten. Alle Geräte zusammen füllen meinen Rucksack und dafür hat Martha gar kein Verständnis – Frauen eben. Um ins Internet zu gehen haben wir uns entschieden bei NZ Telecom eine Simkarte mit dem entsprechenden Prepaid-Abo zu kaufen. Das Modem habe ich ja schon und so muss ich nur noch die Karte einsetzen und los geht‘s. Denkste – der freundlich Verkäufer im Telecom Shop erklärt uns, dass mein Modem nicht mit den langsameren Frequenzen des Standards hier in Neuseeland kompatibel sei und dass ich ein USB-Stick mit entsprechender Software vor Ort kaufen soll. Martha murrt, noch so ein „unnötiges“ Gerät im Rucksack, doch schlussendlich muss sie sich fügen. Wir erleben hier auf der
Nordinsel traumhafte Tage mit meist sonnigem Wetter. Wir fahren mit Tell zu den schönsten Aussichtspunkten, zu wunderschön gelegenen Parks und begeben uns auf einsame Wanderungen entlang dieser unendlichen Küstenregion, die immer wieder Ausblicke auf eine üppig grüne Landschaft und auf den oft türkisfarbenen Ozean gibt. Meistens sind wir am Abend wegen unserem umfangreichen Tagesprogramm und der Zeitumstellung immer noch sehr müde. Wir gehen dann in ein Kaufhaus und besorgen uns Lebensmittel für das Abendessen, das Martha und Tell liebevoll zubereiten. In gemütlicher Runde beschliessen wir dann die Abende aber nicht ohne von der leckeren Vanilleglace genascht zu haben, die Tell aus seinem Kühlschrank holt. Am Sonntag sind wir bei unseren lieben Gastgebern zum Barbecue eingeladen. Vreni und Martha bereiten alles in der Küche vor und die Herren der Schöpfung (Chris, Tell und ich) versuchen den Grill zum Laufen zu bringen, was uns dann nach mehrmaligen Versuchen auch gelingt. Wir geniessen einen tollen Abend in familiärer Rund bei schmackhaftem Essen, sehr gutem einheimischen Wein und interessanten Gesprächen. Chris als Heimweh-Littauer will natürlich alle Neuigkeiten rund um Littau und Luzern wissen und er schwelgt in Kindheitserinnerung, die er von dieser Region hat. Als Leckerbissen darf ich dann auf eine Spritztour mit dem liebevoll gepflegten weissen Citroen. Auf einer kleinen Passstrasse zeigt Chris was in diesem potenten Oldtimer steckt. Ich kann kaum glauben, dass man dieses Gefährt so rasant um die Kurven bewegen kann. An unserem zweitletzten Tag hier bei Tell besuchen wir das Stadtzentrum mit dem wunderschönen Hafen und dem Tower, dem Wahrzeichen von
Auckland. Das Wetter spielt für unsere Sightseeing Tour gerade noch mit. Die Aussicht vom Turm ist atemberaubend und zeigt die wirkliche Ausdehnung der Stadt. Anschliessend wollen wir noch auf eine Halbinsel rausfahren und die Skyline von dort aus betrachten. Leider hat sich nun das Wetter eingetrübt und es beginnt sehr stark zu regnen und zu winden. Das geht hier in Neuseeland von einer Minute auf die andere, aber ebenso schnell kann es wieder sonniges und warmes Wetter geben. Für den Rest des Tages ist nun aber Regen angesagt und wir fahren nach Hause und bereiten alles für den morgigen Tag vor. Wir werden Tell und unsere lieb gewonnen Gastgeber verlassen und mit unserem Camper auf grosse Fahrt Richtung Norden aufbrechen.


2.11. - 3.11.2011  An der Ostküste entlang Richtung Norden


Nun ist es soweit, früh am Mittwochmorgen sitze ich im Führerhaus des Campervans und treffe die letzten Vorbereitungen für die heutige Etappe. Sämtliche Anfahrtspunkte habe ich im Navi vorprogrammiert, so dass wir uns voll mit dem hoffentlich richtigen Fahren und nicht noch mit der Karte beschäftigen müssen. Martha hat wegen dem Linksverkehr immer noch einwenig Bauchschmerzen. Für jene, die das erste Mal mit dem Linksverkehr konfrontiert sind, ist es tatsächlich eine Herausforderung. Vor allem bei Ein- und Ausfahrten ist grösste Vorsicht geboten. Zudem haben die Kiwis beim Links- und Rechtsabbiegen eine Regelung, die genau anders ist als das Bauchgefühl suggeriert. Zudem ist logischerweise die Schaltung und der Scheibenwischer links und der Blinker rechts so dass es schon mal vorkommen kann, dass man statt blinkt den Scheibenwischer betätigt und umgekehrt. Vreni & Chris haben uns spontan zum Frühstück eingeladen und verwöhnen uns mit selbst gebackenen Köstlichkeiten und mit einem aufwendig zubereiteten Cappuccino, der jeden Italiener vor Neid erblassen lässt. Chris hat uns Unterlagen von unserem ersten Reiseziel besorgt und so haben wir schon alle Informationen über evtl. Ausflugsziele. Nach einem herzlichen Abschied von Tell, der uns in den vergangen Tagen liebevoll umsorgt hat und unseren Gastgebern, die uns auch ans Herz gewachsen sind, fahren wir durch malerische Landschaften Richtung Helenswille. Dort angekommen gehen wir in einen Supermarkt und kaufen alles ein was wir für die nächsten Tage brauchen. Die Preise sind gemäss unseren eher moderat. Vor allem Fleisch ist sehr günstig zu bekommen, hingegen ist Käse wieder eher teuer. Nun müssen wir noch alles im Camper verstauen und ihr erratet es inzwischen schon; alles wird von Martha mehrmals neu platziert und umgeräumt. Weiter geht die Fahrt nach Warkworth und nach Sandspit, ein lauschiges Örtchen, das in einer wunderschönen Meeresbucht gelegen ist. Über enge Strassen in einem stetigen auf und ab
fahren wir zu einem wunderschön gelegenen Campingplatz. Hier würden wir gerne eine oder zwei Nächte verbringen. Es ist Vorsaison und so sollte es eigentlich nicht schwer sein ein Plätzchen zu bekommen. Wir gehen zur Rezeption und eine freundliche Angestellte zeigt uns alles Wissenswerte auf dem Areal. Wir beschliessen gleich zwei Tage hier zu bleiben und bekommen unseren Platz direkt am Meer an vorderster Front – besser kann es nicht gehen. Inzwischen knurrt auch schon einwenig der Magen und wir stellen unsere Campinguntensilien direkt am Wasser auf und
gönnen uns in der warmen Sonne unseren wohlverdienten Apéro. Nach einer kleinen Verdauungspause macht sich Martha ans Kochen, zum ersten Mal im Camper und zum ersten Mal auf unserem zweiflammigen Gaskocher. Das Menü: Spaghetti mit einem riesigen Stück Fleisch und Salat. Mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit, als hätte sie nie anders gekocht, zaubert mein Schatz ein vorzügliches Essen auf den Tisch. So können wir uns rundum zufrieden und glücklich auf einen Spaziergang an der Küste entlang begeben und uns den Sonnenuntergang
ansehen. Nach einer wiederum ruhigen Nacht, wir schlafen wirklich ausgezeichnet in unserem Campervan,  geht es in der typischen Camperromantik zur Morgentoilette. Das Frühstück müssen wir im Camper zu uns nehmen, da es draussen kühl und regnerisch ist. Das Wetter ändert sich hier wirklich minütlich. Noch sieht es so aus als wäre der ganze Tag regnerisch und kalt, dann ändert sich alles in Minutenfrist und die Sonne lacht vom stahlblauen Himmel. So muss auf Wanderungen immer Kleidung für alle Situationen im Gepäck sein. Unser heutiges Tagesprogramm ist eine ca. fünfstündige Wanderung durch den Tawharanui Regional Park. Schon die Anfahrt gestaltet sich abenteuerlich. Plötzlich endet die asphaltierte Strasse und vor uns liegt eine ca. fünf Kilometer lange Naturstrasse (Gravel Road), die erstens unseren Camper heftig erzittern lässt und das schöne Weiss unseres Fahrzeuges in ein schlammfarbenes Braun ändert. Kein Problem, der nächste Regen wird gewiss wieder die ursprüngliche Farbe zum Vorschein bringen. Am Park angekommen erwarten uns traumhafte Ausblicke auf endlose Küstenstreifen, Sandstrände und Klippen. Das Wandern zwischen tropischen Pflanzen, begleitet von exotischen Vogelstimmen durch Farmland mit Schafen und Kühen zu verschwiegenen Buchten und
Aussichtspunkten lässt unsere Herzen höher schlagen. Wir haben tolles Wetter mit den üblichen kleinen Wechseln, die das Panorama mit den aufziehenden Wolken noch spektakulärer macht. Der Weg entlang der Küste ist am eindrücklichsten. Er geht steil Bergauf, dann wieder ebenso steil hinunter was konditionell ganz schön fordert uns aber in keiner weise abschreckt. Immer wieder machen wir Rast an einsamen Stellen mit Weitblick aufs Meer. Den ganzen Tag begegnen wir nur ganz selten anderen Wanderern; meistens ist man hier völlig alleine. Müde, etwas erschöpft aber glücklich machen wir uns am Abend wieder zurück auf unseren Campingplatz, wo uns Martha zum zweiten Mal auf unserer Reise ein köstliches Mal auf dem Gaskocher zubereitet. Morgen verlassen wir diesen Campground und es geht weiter nordwärts Richtung Whangarei.


4.11. - 6.11.2011  An der Küste entlang Richtung Norden


Kia ora! Wir sind nun schon seit einigen Tagen mit dem Camper unterwegs und haben uns bereits an das Zigeunerleben gewöhnt. Viele Handgriffe im und um den Camper funktionieren schon wie im Schlaf und es kommt uns vor als hätten wir nie etwas anderes gemacht. Die innere Uhr tickt auch einwenig langsamer, vieles geht man nicht mehr so hektisch an und es bleibt mehr Zeit für Dinge, die früher viel zu kurz gekommen sind. Am Freitag stehen wir nicht so früh auf; der Schlendrian hat sich bereits einwenig breit gemacht. Zudem sind wir noch etwas müde von der gestrigen Wanderung. Das heutige
Etappenziel ist Whangarei und ein Campground, der nahe am Meer liegt. Wir fahren wenn möglich immer abseits der viel befahrenen Routen an der prächtigen Küste entlang nordwärts. Menschenleere Strände laden zum Verweilen ein. Neuseeland ist landschaftlich ein Traumland. Überall wo es uns gefällt, parkieren wir unseren Camper, ohne dass gleich Parkgebühren erhoben werden und es hat hier jede Menge Platz, was uns als Schweizer sofort ins Auge sticht. Whangarei liegt in einer weiten hügeligen Buschlandschaft. Kleine Cafés, Restaurants und Kunstgalerien in hübsch verkleideten Kolonialstilbauten sind rund um den Hafen verteilt. So eine Stadtbesichtigung macht hungrig. Martha besteht aber drauf, wieder selber zu kochen. Also gehen wir einkaufen. Die Supermärkte sind hier riesig und das Angebot ebenso. Wir können allerdings höchstens für zwei bis drei Tage einkaufen, da der Stauraum in unserem Heim auf vier Rädern sehr begrenzt ist. Also gehen wir mit einem überdimensionierten Einkaufswangen (etwa doppelt so gross wie in unserer Heimat) auf Einkaufstour. Nach langem Suchen haben wir die hoffentlich richtigen Sachen beisammen und fahren auf einen Campingplatz bei Pataua. Dort angekommen, sind wir nicht sicher ob der Platz geöffnet oder wegen der Vorsaison noch geschlossen ist. Ausser einem Hund, der uns mit Freude begrüsst, ist keine Menschenseele anzutreffen. Nach einiger Zeit erscheint ein etwas mürrischer Mann an der Rezeption und unser Schlafplätzchen für diese Nacht ist gebuchen. Wir fahren mit dem Camper auf ein riesiges Gelände. Da und dort stehen ein paar heruntergekommene Wohnwagen, die wohl Einheimischen gehören. Ansonst ist der ganze Platz leer. Wir sind also definitiv die einzigen, die hier übernachten werden. Martha bekommt bei dem Gedanken ein leicht flaues Gefühl in der Magengegend. Das hat sich aber auf unserem kleinen Spaziergang in der näheren Umgebung bald wieder gelegt. Hinter einem kleinen Hügel beim Campground erblicken wir einen Traumstrand, der uns völlig alleine gehört. Ein sensationeller
Sonnenuntergang, der an Rosamunde Pilcher-Filme erinnert, rundet diesen perfekten Tag ab. Martha hat die völlige Einsamkeit plötzlich auch nicht mehr so bedrohlich empfunden. Am anderen Morgen haben wir nochmals unseren Strand besucht und wehmütig abschied genommen. Der heutige Weg führt uns nach Russel. Dieser touristische Ort liegt idyllisch an der Bay of Islands. Wieder wählen wir eine Route abseits der Hauptachsen an der Küste entlang weiter gegen Norden. Wir sind uns ja aus der Schweiz das Fahren auf engen Passstrassen gewöhnt, aber was wir an diesem Tag an Kurven, steilen Abfahrten und ebenso steilen Steigungen gefahren sind, habe ich noch nie erlebt. Es ist zwar sehr interessant aber auch ausgesprochen anstrengend und bis eine Strecke von 100 km zurück gelegt ist dauert es Stunden. Bevor wir an unserem Etappenziel ankommen fahren wir auf eine Gravel Road (nicht asphaltierte Strasse), die sich mehrere Kilometer durch einen Dschungel aus exotischen Pflanzen und Bäumen windet bis wir endlich „geschüttelt nicht gerührt“ auf unserem Campground in Russel ankommen. Wir gönnen uns hier einen Top 10 Campground, der mit allem ausgerüstet ist was ein Camperherz höher schlagen lässt. Dementsprechend ist auch der Preis dieses Platzes. Trotz allem Komfort, der uns hier geboten wird, haben uns die einfacheren, für uns schöner gelegenen Plätze, besser gefallen. Der Vorteil hier, Martha kann endlich all unsere schmutzige Wäsche waschen. Es gibt hier vertrauenswürdige und funktionsfähige
Waschmaschinen und Tumbler. Martha stopft die Geräte mit Wäsche und 2 Dollar Coins voll und in gut anderthalb Stunden ist alles wieder sauber und trocken. Also hat sich der Aufenthalt hier schon gelohnt. Nach einem Spaziergang im nächtlich romantischen Russel beschliessen wir den Tag bei einer Tasse Tee. Am Sonntagmorgen bereitet Martha ein Frühstück mit allen Leckereien vor. Nebst Brot, Butter und Konfitüre gibt es Spiegeleier, Käse und Beinschinken. Wir meinen, das gehört sich so am Wochenende. Mit vollem Bauch klemme ich mich hinters Steuer und wir fahren ans Meer, wo wir mit der
Fähre nach Paihia übersetzen. Die Fahrt dauert ca. eine Viertelstunde und schon sind wir im hübschen, auch wieder sehr touristischen Städtchen angekommen. Wir gönnen uns bei Mövenpick einen ausgezeichneten Cappuccino, bevor wir uns nordwärts an der Ostküste entlang an fantastischen Stränden vorbei, auf die andere Seite der Nordinsel, an die Westküste nach Waipapakauri Beach begeben. Hier ist ausser unserem Campingplatz tote Hose. Doch eine Attraktion hat dieser Ort. Es ist die legendäre Ninety Mile Beach, ein 89 Kilometer langer Sandstrand, der stellenweise bis 200 Meter breit ist. Den Strand darf man mit dem Auto auf seiner ganzen Länge mit unglaublichen 100 km/h befahren. Dieser Strand wird uns morgen zum nördlichsten Punkt Neuseelands führen, zum Cape Reinga. Wir freuen uns schon riesig auf diese Fahrt. Jetzt gehen wir noch an diese legendäre Beach (ca. 5 Gehminuten vom Campingplatz entfernt) und sehen uns den hoffentlich spektakulären Sonnenuntergang an. Haere ra!


7.11. - 9.11.2011  Zum nördlichsten Punkt Neuseelands


Heute fahren wir nicht so früh los. Das ganze Morgenprozedere mit Duschen, Morgenessen, Abwaschen, beim Camper gebrauchtes Wasser ablassen, frisches Wasser wieder auffüllen, Route auf dem Navi programmieren und das Innenleben des Campers von Nacht auf Tag umbauen dauert halt seine Zeit. „Uff, was für ein Stress“! Wir cruisen parallel zur Ninety Mile Beach auf den Hwy 1 Richtung Norden. Bei Hukatare führt uns eine lange Gravel Road auf diesen einzigartigen Strand. Es ist noch Ebbe und so
können wir es wagen, ein paar Kilometer „Full Speed“ an der tosenden Brandung entlang auf diesem Strand zu fahren. Wir sind mal wieder alleine und so kommt in uns das Hochgefühl von absoluter Freiheit auf. Nachdem wir uns so richtig ausgetobt haben, begeben wir uns wieder auf reguläre Strassen. Schon bald erwartet uns ein weiteres Highlight auf dieser Etappe, die Sanddünen von Te Paki. Von Weitem sind sie als gelber Strich am Horizont zu sehen und nach ein paar weiteren Kilometern stehen wir am Fuss dieser mächtigen vom Wind aufgetürmten Gebilden. Wir beschliessen auf einer mehrstündigen Wanderung diese Dünen zu erkunden. Da diese Wanderdünen zum Teil über hundert Meter hoch sind ist das Begehen anstrengend und schweisstreibend. Die Dinger werden vor allem immer steiler und Martha hat
dann irgendwann genug von dieser Plackerei. Mich treibt‘s aber weiter, unter dem  Motto: zwei Schritte vorwärts, einer zurück, bis mit letzter Kraft die höchste Düne bezwungen ist. Dort hat man einen grandiosen Ausblick über die riesige Fläche dieser Dünenlandschaft bis zum Meer. Auf dem Rückmarsch geht es bedeutend einfacher, da man wie ein Skifahrer die Dünen hinunterrutschen kann. Macht richtig spass! Der letzte Abschnitt zum nördlichsten Punkt Neuseelands führt uns wieder an atemberaubenden Küstenlandschaften vorbei. Nach einigen Kilometern haben wir es geschafft. Wir sind beim Cape Reinga angelangt. Ein gut ausgebauter Fussweg führt zum bekannten Leuchtturmhaus aus dem Jahre 1879 und der ganz im Norden vom Cape steht. Auch hier hat man wieder eine tolle Aussicht aufs raue Meer und
die steil abfallenden Klippen. Viele schöne Wanderwege führen rund ums Cape Reinga. Auf einem dieser Wege unternehmen wir eine ca. anderthalbstündige Wanderung, die uns abseits der Touristen an schöne Aussichtspunkte führt. Nun wird es aber Zeit für die Rückfahrt. Weil nur eine Strasse in den Norden führt geht es auf dieser wieder zurück bis zu einem Campingplatz bei Houhora Heads. Eine schrullige aber nette alte Frau begrüsst uns am Campground und führt uns an unseren heutigen Stellplatz an einem idyllischen Plätzchen mit Sicht auf die Meeresbucht. Glücklich und zufrieden gönnen wir uns einen kleinen Apéro bevor Martha wieder ein komplettes Menü auf dem zweiflammigen Gaskocher auf den Tisch zaubert. Am anderen Morgen brechen wir wieder zeitiger auf. Wir fahren an der Westküste entlang südwärts zum bekannten Waipoua Forest. In diesem Wald wachsen  die ältesten und grössten Bäume Neuseelands. Da wir heute bereits eine sehr weite Strecke gefahren sind, beschliessen wir auf einem sehr einfachen Campingplatz mitten im Park mit den z.T. über 2000 Jahre alten Kauri Bäumen zu übernachten. Ich, als verantwortlicher für den Abwasch habe auf dem letzten Campingplatz die Pfannen wohl abgewaschen aber nicht eingepackt. Deshalb ist das Nachtessen heute sehr spartanisch ausgefallen. Martha hat es die Zornesröte ins Gesicht getrieben. Am frühen Morgen, es ist neblig und nass, trotzdem begeben wir uns auf verschlungenen Pfaden in den Wald zu den Urwaldriesen. Wieder sind wir fast alleine unterwegs, gut eingepackt in unserer Regenbekleidung streifen wir durch baumhohe Farne begleitet von exotischen Vogelstimmen durch z.T dichte Nebelschwaden. Man kommt sich vor wie
in einem Märchenwald. Nach einigen Kilometern sehen wir dann den ersten dieser mächtigen und heute geschützten Bäume. Es ist beindruckend, wenn man vor einem solchen Baumgigant steht. Was hat dieser Riese im Laufe seines Lebens schon alles gesehen und erlebt, es wird für uns immer verborgen bleiben. In den letzten Jahrhunderten wurden diese einmaligen Bäume rigoros abgeholzt und zu allen nötigen und unnötigen Dingen des täglichen Gebrauchs verarbeitet. Nachdem nur noch wenige dieses Abholzen überlebt haben, wurden sie dann endlich unter Naturschutz gestellt. Um noch mehr über diese Urwaldriesen zu erfahren, besuchen wir bei Matakohe das Kauri Museum. Dort wird auf anschauliche Art und Weise alles Wissenswerte um und über diese Bäume gezeigt. Die ganze Palette der Holzverarbeitung, die alten z.T. dampfbetriebenen Maschinen und das harte entbehrungsreiche Leben der damaligen Holzfäller. Beeindruckt von dem Gesehenen und Erlebten geht es weiter Richtung Süden zu unserem heutigen Übernachtungsplätzchen. Doch vorher müssen wir unterwegs noch die nötigen Kochutensilien besorgen. Der Campground ist bei Parakai, einem Vorort von Helensville, an dem es wie an vielen Orten im vulkanischen Neuseeland heisse Quellen „Hot Springs“ gibt. zum Abschluss dieses ereignisreichen Tages gönnen wir uns noch das eine oder andere Gläschen Rotwein. Da es draussen etwas Regen nieselt, machen wir es uns in unserem kuscheligen Campervan gemütlich.


10.11. - 12.11.2011  Von den Urwaldriesen zu den heissen Quellen von Rotorua


Wie die meisten wissen, bin ich ein Frühaufsteher. Wenn Martha noch tief schläft, treibt es mich mit dem Laptop unter dem Arm, ins Führerhaus unseres Campervans, um Reiseberichte zu schreiben. Ein erster Blick aus dem Fenster gilt dem Wetter. Vielfach haben wir einen strahlend schönen Morgen, danach zieht es relativ schnell zu, es kann dann fünf bis 10 Minuten etwas Nieselregen „Drizzle“ geben, bevor der Wind vom Meer her die Wolken wieder vertreibt und der Himmel aufklart. Im Tagesverlauf wechseln sich Wolken und strahlender Sonnenschein regelmässig ab „Cloudy“. Nicht umsonst nennt man Neuseeland das Land der langen weissen Wolke. Nach einem meistens schönen Sonnenuntergang ist der Himmel bald wieder bewölkt und es können ein paar Regentropfen fallen bevor es wieder aufklart und eine sternenklare aber kalte Nacht beginnt. Bis jetzt können wir mit dem Wetter sehr zufrieden sein. Ausser einem wirklich verregneten Tag haben wir meistens ideales Reisewetter. Unsere  heutige Etappe führt uns westlich an Auckland vorbei Richtung Süden. Weil wir etwas mehr Kilometer bewältigen müssen, fahren wir einen Teil des Weges auf einer mehrspurigen Autobahn „Motorway“. Nach der etwas eintönigen Fahrt durch immergrüne Farmlandschaften biegen wir dann auf eine äusserst kurvenreiche und enge Küstenstrasse ein, die uns an malerischen Buchten entlang zum schnuggligen Städtchen Coromandel führt. Die schön
restaurierten Häuser im Kolonialstiel erinnern uns an jene, die wir auch schon im Westen von Amerika gesehen haben. Beim flanieren durch die hübsche Mainstreet gönnen wir uns in einem Strassenkaffee,  den schon bald obligatorischen Cappuccino und lassen uns von warmen Sonnenstrahlen verwöhnen. Auf der Karte suchen wir dann eine neue Übernachtungsmöglichkeit. Unser Navi führt uns zu  einem idyllischen Campground direkt am Meer. Auf einer wunderschönen Rundwanderweg der Küste entlang können wir uns vor dem Nachtessen noch etwas die Beine vertreten. Zurück auf dem Zeltplatz treffen wir noch
weitere Camper aus der Schweiz, die Welt ist halt klein. Beim Campieren kommt man schnell mit den Nachbarn ins Gespräch und so sitzt man bei vorgerückter Stunde zusammen und tauscht Geschichten aus der Heimat und Reiseerlebnisse aus. Doch nun aber husch ins Körbchen. Am anderen Tag erwartet uns eine anstrengende Wanderung. Nach dem Frühstück fahren wir über eine holprige, kilometerlange Gravel Road in den Coromandel Forest Park. Beim Visitor Center informieren wir uns über mögliche Wanderwege. Heute soll es etwas Anspruchsvolles sein. So entschliessen wir (ich) uns, den Pinnacels Hut zu besteigen. Der Weg dauert ca. 6 Stunden. Er führt uns über Hängebrücken durch verschlungene Waldpfade immer näher an den Berg heran. Dann beginnt der sehr steile Aufstieg über treppenartige Steinformationen, die Absätze von einem halben Meter und mehr haben. Für Leute mit langen Beinen ist das nicht so ein grosses Problem, für kleiner gewachsene ist es aber eine Herausforderung. Und so höre ich schon bald das erste Stöhnen hinter mir. Martha ist von dieser Art Wanderung überhaupt nicht begeistert, zumal der Weg sehr eng und glitschig ist. Doch da gibt es kein
Pardon, da muss sie halt durch. Nach einem dreistündigen, schweisstreibenden Aufstieg durch dichtes Buschland, mit kaum Aussicht auf die umgebende Landschaft, erreichen wir den Gipfel. Martha ist völlig geschafft. Für diese tolle Leistung gebührt ihr aber mein ganzer Respekt. Wir verpflegen uns bei der Berghütte, die für Mehrtageswanderungen zum Übernachten dient. Martha möchte sich auch gleich ins Bett legen. Wir nehmen nochmals einen kräftigen Schluck aus der Flasche, geniessen die Aussicht und begeben uns auf den ebenfalls wieder sehr beschwerlichen Abstieg, für den man wiederum bei vorsichtiger Gangart rund drei Stunden benötigt. Stolz auf unsere Leistung, aber mit der Erkenntnis dass wir diese Wanderung nie wieder machen würden, begeben wir uns hundemüde ins Bett. Am anderen Tag stehen wir etwas ungelenk auf. Uns steckt immer noch die Anstrengung vom Vortag in den Knochen. Zum Spass rufe ich dann Martha zu: „Heute machen wir eine zünftige Wanderung!“ Doch mit diesem kleinen Scherz konnte ich bei ihr gar nicht punkten. Die heutige Strecke führt uns weiter südwärts zu den brodelnden Wasserlöchern von Rotorua. Wir bewegen uns wegen der Länge der Strecke wieder auf einigen Schnellstrassen damit wir am Ankunftsort noch einiges unternehmen können. Unterwegs weisen braune Hinweisschilder auf Sehenswürdigkeiten hin, die in Wirklichkeit nicht immer als solche bezeichnet werden können. Eines dieser Schilder führt uns zum Regionalpark von Tauranga. Eine bunte Pflanzen- und Tierwelt, vor allem seltene Vogelarten sind da zu bewundern. Weiter führt uns der Weg über riesige Farmlandschaften, auf denen Kühe und Schafe weiden.
Ein inzwischen vertrautes Bild. Rotorua riecht man schon von Weitem am beissenden Geruch, der an faule Eier erinnert. Der Weg führ uns zum „Hells Gate“, einem Park aus dampfenden, fauchenden und stinkenden Wasser- resp. Schlammlöchern. Wir sind relativ spät an diesem Park angekommen und so zaubert die untergehende Sonne eine mystische Stimmung über dieses vulkanisch aktive Gebiet, das an die Zeit der Entstehung der Erde erinnert. Wir sind fast die einzigen in dieser urzeitlichen Landschaft und so wirkt die Kulisse noch imposanter. Am Schluss des etwa einstündigen Rundgangs genehmigt sich Martha ein wohltuendes Fussbad in der schwefelhaltigen Brühe. Eine gewisse Schläfrigkeit überkommt uns. Am Lake Rotoiti finden wir einen ruhig gelegenen Zeltplatz, wo wir es uns gemütlich machen.


13.11. - 14.11.2011  Zum grössten Kratersee der Welt, dem Lake Taupo


Am Anfang unserer Reise waren wir am Morgen immer die ersten auf dem Campingplatz, die geduscht, das Morgenessen zu uns genommen und den Camper auf Vordermann, sprich reisefertig gemacht haben. Inzwischen schlafen wir auch schon etwas länger und auf manchen Plätzen mussten wir uns beeilen, dass wir zur spätest möglichen Auscheckzeit (10.00 Uhr) den Campground verlassen hatten. Ich sag’s ja immer, „es cheibe Flohnerlääbe!“ Heute werden wir das Umland von Rotorua erkunden. Wieder haben wir nach meinem Bauchgefühl zulange geschlafen und es kommt am Morgen schon eine gewisse Hektik auf, was ich auf den Tod nicht leiden kann. Schnell noch das Stromkabel und das Wasser von der
Versorgungsstation trennen und dann nichts wie los. Aus Reiseführern haben wir die Empfehlung „The Burried Village“. Es handelt sich bei diesem „Point of Intrest“ um ein Dorf, das bei einem Vulkanausbruch im Jahre 1886 komplett verschüttet wurde. 150 Menschen fanden damals den Tod. Archäologen graben nun die Überreste aus, die man dann besichtigen kann. Voller Erwartungen gehen wir zum Eingang des Parks. Der Eintritt, 32 Dollar pro Person, ist nicht gerade ein Schnäppchen aber bestimmt bekommt man dafür einiges geboten. Denkste! Ausser ein paar Ruinen, alten Gerätschaften, die von irgendwo herstammen könnten und einem künstlich angelegten Wasserfall, der als besonderes Highlight angepriesen wird, ist nicht viel Erbauliches zu sehen. Wir haben in der kurzen Zeit in Neuseeland festgestellt, dass die Touris oft mit windigen Versprechen übers Ohr gehauen werden. Jeder der etwas präsentieren möchte oder ein dampfendes, stinkendes Wasserloch in seinem Garten hat, versucht daraus Kapital zu schlagen. Wir sind jetzt zwei Mal auf diese Masche reingefallen. Unser Fazit aus diesen Erfahrungen: meistens wenn Eintritt für eine einmalige „Attraktion“ verlangt wird, ist nicht viel zu erwarten. Also fahren wir weiter ins Waimango Volcanic Valley. Ein relativ grosser Park in dem es vulkanische
Aktivität in Form von Geysiren, heissen Kraterseen und spukenden Hot Spots gibt. Es kostet zwar auch da wieder nicht zu knapp Eintritt, doch diesmal hat sich das auch gelohnt. Eine ca. dreistündige Wanderung führt durch dieses Tal. Auf schön angelegten Pfaden kann man das Schauspiel dieser Naturereignisse bewundern. Als da sind u.a. der „Bratpfannensee“, die grösste Heisswasserquelle der Welt. Das Wasservolumen beträgt ca. 200'000 Kubikmeter und hat eine Temperatur von 55° Celsius; der „Waimangu Geysir“, dieser war zwischen 1900 - 1904 aktiv, war der Weltgrösste und schleuderte in einem 36 Stundenzyklus Schlamm und Steine bis 400 Meter in die Luft; der „Infernokrater“, dessen trübblaues Wasser in 15 Tagen um ca. 8 Meter ansteigt und innert 2 bis 3 Tagen wieder auf das ursprüngliche Niveau abfliesst, um nur einige Beispiele zu nennen. Zum Übernachten fahren wir dann wieder zurück nach Rotorua zu einem Top 10 Platz, der uns mit allen Annehmlichkeiten des Campierens verwöhnt. Am Sonntagabend können wir dann, dank gutem Internetempfang, mit unseren Lieben zu Hause Skypen. Wir erleben in Neuseeland eine ausserordentlich schöne und spannende Zeit, genau so wie wir uns das erhofft haben. Doch unsere Familien und Freunde aus der Schweiz vermissen wir sehr. Dank der Errungenschaft der modernen Technik können wir uns aber dann und wann via Internet sehen uns hören, was uns sehr gut tut. Am Montag geht es weiter südwärts, denn in etwas mehr als zwei Wochen werden wir in Wellington mit der Fähre auf die Südinsel übersetzen. Bis dahin gibt es noch viel zu sehen und zu entdecken. Trotzdem müssen wir aufpassen, dass wir unser Reiseprogramm nicht zu sehr überladen. Man kann nicht alles sehen und das Gesehene muss erst verarbeitet werden. Heute ist ein ziemlich regnerischer Tag. Also lassen wir es ruhig angehen. Wir fahren an den grössten Kratersee der Welt, den Lake Taupo. Der Weg führt uns wieder über weites Farmland, das der Schweiz manchmal sehr ähnlich ist. Nur die Ausmasse und
Distanzen sind halt grösser und man ist jetzt in der Vorsaison viel alleine unterwegs. Taupo ist eine Stadt so richtig zum Shoppen. Viele kleine und grössere Läden, die alles Nötige und Unnötige anpreisen, das man zum Leben braucht. Genau das Richtige an einem verregneten Tag. Wir können so unseren „Gwunder“ stillen und unsere Vorräte für die nächsten Tage auffüllen. Zum Schlafen gehen wir auf einen grossen Campground ca. 20 km ausserhalb der City und sind, wen wundert’s, wieder einmal die einzigen Gäste. Am Abend folgt der übliche Wettercheck. Der verheisst für unsere Region nichts Gutes. So fahren wir am anderen Morgen dem schönen Wetter nach an die Ostküste. Das ist wieder eine grössere Strecke, die uns über lange Geraden, wie wir sie nur aus dem Westen von Amerika kennen und dann wieder über enge Passstrassen, wie in der Schweiz, nach Napier führt. Die Natur auf dieser Etappe ist einzigartig. So viel Grün haben wir noch nie gesehen und es steht alles in voller Blüte. Napier ist ein touristischer Ort, der in einer Meeresbucht liegt und sich ans hügelige Hinterland anschmiegt. Hier können wir am Pazifik entlang flanieren und die sehr individuell gestalteten Häuser an der Hafenstrasse bewundern. Schmucke Bauten wechseln sich ab mit völlig heruntergekommenen Hütten. Aber hier stört sich niemand an diesem Stadtbild; Recht so! Nach einem kleinen Picknick machen wir uns auf den Weg nach Wairoa, unserem heutigen Etappenziel. Je nach Wetter geht es am Mittwoch auf eine Wanderung an den Lake Weikaremoana im Urewera Nationalpark oder wir bleiben noch einen Tag in Wairoa und lassen einfach die Seele baumeln.


15.11. - 18.11.2011  Urewera Nationalpark


Gemäss Wetterfrosch soll es heute im Urewera Nationalpark ideal zum Wandern sein, also nichts wie hin. In Wairoa decken wir uns noch mit Lebensmitteln ein, denn wir wollen 2 bis 3 Tage im Park bleiben. Die Anfahrtsstrecke zum Lake Waikanemoara, dem Campground im Nationalpark, ist ca. 65 km lang und auf grossen Teilen nicht asphaltiert aber trocken, so können wir unserem Heim auf vier Rädern die Schlammbäder und mir das anschliessende mühselige Putzen ersparen. Weil man auf den engen und mit Schlaglöchern übersäten Gravel Roads nur sehr langsam vorankommt, dauert die Fahrt entsprechend lange. Kurz vor dem eintreffen im Camp, fängt es leicht zu regnen an. Doch kein Grund zur Beunruhigung, das geht nach fünf Minuten wieder vorbei, denken wir. Der Campingplatz liegt wunderschön am See mitten
im Park. Wir buchen einen Platz mit Strom- und Wasseranschluss für 30 Dollar pro Tag (für zwei Personen), das sind etwas mehr als 20 Franken. Im Preis inbegriffen sind die Benützung der Gemeinschaftsküchen, WC und Duschanlagen, die obwohl es sich hier um ein Campground des DOC’s handelt, warmes Wasser haben. Da kann man nicht meckern. Wir finden unser Traumplätzchen direkt am See und richten uns häuslich ein. Vom Westen her ziehen nun innert kurzer Zeit dunkle Wolken auf und es beginnt heftig zu regnen und so wie das aussieht wohl für längere Zeit. Also nichts mit Wandern, denn mit dem Schmudelwetter fallen auch die Temperaturen schlagartig und es wird kalt. Wolken und Nebelschwaden hängen in den Wäldern an den Berghängen, wie man das vom Regenwald her kennt. Da wir Stromanschluss haben können wir unseren Camper auf angenehme Zimmertemperatur heizen und in der guten Stube die Wanderung für den nächsten Tag planen. Das entsprechende Kartenmaterial haben wir uns zuvor im Visitor Center besorgt. Danach noch schnell die Mails checken. Aber wie so oft an den schönen Plätzen gibt es keinen Internetzugang. So müssen halt für die nächsten Tage alle Mails unbeantwortet bleiben, was einem wiederum Zeit für andere Dinge lässt. Am Abend sitzen wir gemütlich in unserem Camper und vergnügen uns bei heissem Tee und „Guezli“ beim Jassen mit Karten, die wir von Freunden mit auf die Reise bekommen haben. Ein letzter Blick aus dem Fenster verspricht nichts Gutes. Das Wetter ist unverändert schlecht und wir sind uns sicher, dass es auch am anderen Tag keine Wanderung geben wird. Etwas frustriert gehen wir schlafen. In der Nacht macht sich dann der Tee bemerkbar, den wir getrunken haben und so muss ich mal kurz für bengalische Tiger. Als ich die Tür des Campervans öffne leuchtet mir ein funkelnder Nachthimmel entgegen. Ein Sternenmeer, das wir erst einmal im Death Valley so gewaltig erleben durften. Weil es hier völlig dunkel ist, kein Umgebungslicht stört und durch den Regen die Atmosphäre völlig frei von Schmutz ist wird das Szenario noch gewaltiger. Wir sitzen da und sind überwältigt von dieser Pracht. Da und dort flitzt eine Sternschnuppe vorbei. Was wir uns dabei gewünscht haben bleibt natürlich geheim. Dass das Wetter so schnell aufklaren würde hätten wir niemals für möglich gehalten und so steht der Wanderung am nächst Tag nichts mehr im Weg. Wir haben wieder eine
zünftige Tour ausgesucht, die uns in 6 Stunden über einen Bergpfad an verschiedene Seen führt. Weil die Natur hier üppig grün ist wachsen die Bäume und Pflanzen bis zu den Bergspitzen. Für das Wandern hat das nicht nur Vor- sondern auch Nachteile. Man bewegt sich immer im Bush, der zwar voll von vielfältiger, exotischer Flora ist, doch man hat kaum Aussicht auf die Umgebung. Wir wandern oft nur wenige Meter an den schönsten Seen vorbei, da aber auch hier die dichte Vegetation bis zum Wasser reicht gibt es kaum Zugänge zu diesen Gewässern. Wir sind auf diesem Track wieder
völlig alleine unterwegs. Wir begegnen auf der ganzen Strecke keiner Menschenseele. Ein Skelett eines Hirsches auf einer der wenigen Lichtungen zeugen davon, dass es hier noch andere Lebewesen geben muss oder besser gesagt gegeben hat. Wir bewegen uns auf engen, zugewucherten Pfaden, klettern über vom Sturm umgerissene Baumriesen und waten durch Bäche und Schlammlöcher an imposanten Wasserfällen vorbei. Das ist richtiger Urwald, wie man ihn sonst nur aus Abenteuerfilmen kennt. Auch auf dieser Tour ist Ausdauer und Kondition gefragt. Martha ist aber super drauf und bewältigt alle Hindernisse ohne Probleme. Erschöpft aber völlig zufrieden mit uns und der Welt erreichen wir am frühen Nachmittag den Ausgangspunkt der Wanderung. Schuhe und Kleidung, selbst die Rucksäcke sind völlig verdreckt aber das gehört sich so im Bush. Auf dem Heimweg zum Camp freuen wir uns schon auf eine erfrischende Dusche und ein feines Nachtessen, das wir natürlich wieder im Camper zubereiten und mit Heisshunger verspeisen werden. Wildkaninchen, die an vielen Orten in Neuseeland zur Plage werden und mannigfaltiges Federvieh besuchen uns am Abend auf unserem Plätzchen am See. Von Westen her ziehen dunkle Regenwolken auf. Doch ein kräftiger Wind in Orkanstärke, der unseren Campervan die ganze Nacht zum schwanken bringt vertreibt diese und so erwartet uns ein strahlend blauer Morgen. Um 10.00 Uhr verlassen wir den Park und fahren auf der staubtrockenen Gravel Road Richtung Gisborne. Unterwegs kreuzen wir schwer beladene Trucks, die nicht nur Staub sondern auch jede Menge Steine aufwirbeln. Wir hoffen jedes Mal, dass unsere Windschutzscheibe solche Begegnungen unbeschadet übersteht. Bei Kokako kommen uns mitten auf der Strasse Schafe entgegen. Diese werden von Viehtreibern und ihren perfekt ausgebildeten Hunden auf neue Weiden geführt und haben uneingeschränkten Vortritt. So müssen wir uns in Geduld üben und warten bis die Herde an uns vorbeigezogen ist. Die Zentrale Nordinsel bietet an der Ostküste weitere Highlights, die wir noch nicht gesehen haben. In Gisborne machen wir unseren ersten Zwischenhalt und flanieren durch die Läden der Innenstadt. Bei unserem Lieblingsdiscounter PAK’nSAVE füllen wir unsere Reserven für die nächsten Tage auf. Wichtigster Punkt auf der Einkaufsliste ist eine Kiste Tui-Bier, denn mein Vorrat des köstlichen Gerstensaftes geht langsam zu Ende. Wir fahren weiter nordwärts der Küste entlang zu unserem heutigen Zeltplatz in Tatapouri. Dieser liegt direkt am Meer und ist bekannt für seine prächtigen Sonnenaufgänge.


19.11 - 22.11 2011  Durch Maorigebiet an der Ostküste entlang nordwärts


Mit dem versprochenen spektakulären Sonnenaufgang in Tatapouri können wir noch nicht prahlen. Dafür war es am Morgen zu bewölkt. Doch wir bleiben ja vorerst noch an der Ostküste und so werden wir dieses Schauspiel sicher noch mit der Kamera einfangen. Wie gewohnt informieren wir uns über die neue Wettersituation. Die nächsten Tage wird es unfreundlich und etwas kälter – ausser im Norden an der Ostküste. Also beschliessen wir, diesen Küstensteifen entlang nordwärts durch die Stammesgebiete der Maori zu fahren. Unseren ersten Halt machen wir in Tologa Bay. Hier befindet sich der längste Pier von Neuseeland. Der Wind bläst kräftig und es ist kalt. Wir kleiden uns entsprechend und machen uns auf den 660 Meter Langen Weg hinaus zum Endpunkt vom Pier. Das Bauwerk aus den Zwanzigerjahren ist in einem desolaten Zustand. An vielen Stellen ist das Geländer weggebrochen  und der Bodenbelag ist so
verwittert, dass man durch Löcher und Ritzen die Wellen des Pazifiks sehen kann. Bei uns wäre dieses Objekt wegen Baufälligkeit schon längst gesperrt worden. Trotzdem lohnt sich hier ein Spaziergang hinaus auf den Ozean. Ein paar Schritte weiter führt eine Wanderung (Cook’s Walkway), über hohe Klippen zu einer verschwiegenen Bucht (Cook’s Cove), in der Captain James Cook mit seinem legendären Segelschiff Endeavour einmal vor Anker ging. Ein wunderschöner Wanderweg führt uns über Wiesen mit Rindern und Schafen, an traumhaften Aussichtspunkten vorbei, zu
diesem historischen Ort. Wir kosten diese Landschaft so richtig aus. Für den Weg, den man eigentlich in 2,5 Stunden bewältigen könnte, haben wir uns 4 Stunden Zeit gelassen. Aber jede Minute davon hat sich gelohnt. Da wir uns hier länger verweilt haben als gedacht und es bereits gegen 17.00h ist, müssen wir uns nach einem geeigneten Schlafplätzchen umsehen. Wir fahren noch einige Kilometer der Küste entlang und kommen zum Campground von Tuatini. Doch was wir hier antreffen kann uns in gar keiner Weise begeistern. Ein völlig heruntergekommener, ungepflegter ja verwahrloster Platz. Wir haben ja öfters schon auf sehr bescheidenen Campgrounds genächtigt, die aber stets gepflegt waren. Aber hier werden wir bestimmt nicht logieren. Also ein Teil der Wegstrecke zurück zu einem Platz an der Anaura Bay. Dieser liegt idyllisch direkt am Meer. Auch hier treffen wir nicht den grossen Luxus an, den wir auch gar nicht suchen, es ist aber alles ordentlich. Und wieder einmal können wir unseren Apéro in einer prächtigen Landschaft zu uns nehmen und über das Gesehene und Erlebte sinnieren. Am Abend gibt es das schon bald traditionelle „Jässchen“, bevor wir dann ins Bett schlüpfen. Am anderen Morgen erleben wir den erhofft prächtigen Sonnenaufgang. Unsere Schlummermutter (Chefin vom Campground) hat uns am Abend noch darauf hingewiesen, dass die Sonne um Punkt 5.30 Uhr über dem Meer aufgehen wird. Wie gewohnt haben wir die Arbeit „gerecht“ aufgeteilt. Martha hat den Wecker gestellt und ich bin zum Fotoshooting aufgestanden, während sie nach dem abstellen des Weckers noch gemütlich zwei Stunden weiter geschlafen hat. Doch das frühe Aufstehen hat
sich ausbezahlt. Wie so oft auf unserer Reise habe ich diesen wunderschönen Strand für mich ganz alleine. Am Horizont öffnet sich ein leicht blauer, pastellfarbener Himmel der von zwei orange-gelben Linien gesäumt ist. Wenige Minuten später sieht man schon die leuchtende Kugel über dem Wasser aufgehen und der Himmel färbt sich golden bis hin zu einem Blauviolett. Wieder ein paar Minuten später ändert sich das ganze Szenario in ein leuchtendes Rot. Ein Schauspiel von einmaliger Schönheit, das einen berührt und bewegt. Ich bleibe noch einige Zeit, in Gedanken versunken am Strand, bevor ich auf den Campingplatz zurückkehre. Martha hat den Campervan bereits von Nacht auf Tag umgebaut und das Frühstück vorbereitet, das wir je nach Lust und Laune einmal früh am Morgen oder dann halt später zu uns nehmen; etwas, das bei unserem vorherigen straff organisierten Tagesablauf nicht möglich gewesen wäre. Um weiterhin vom schönen Wetter zu profitieren müssen wir eine sehr lange Strecke fahren, die durch eine alpenähnliche Landschaft führt und uns sehr an unsere Heimat erinnert. Wären da nicht die unendlichen Weiten und die menschenleeren Gebiete. Doch da und dort tauchen kleine zumeist völlig verwahrloste Siedlungen auf, die auf der Karte nicht mal eingezeichnet sind. Hier leben ausschliesslich Maoris, die Urbevölkerung von Neuseeland, die ähnlich wie in Amerika die Indianer oder in Australien die Aborigines oftmals ein randständiges Dasein fristen. Wenn man als Weisser in ein solches Dorf fährt wird man mit Argusaugen beobachtet und wenn man zu Fuss unterwegs ist völlig ignoriert. Irgendwie auch verständlich. Auch in Neuseeland partizipiert vor allem die weisse Bevölkerung vom Wohlstand. In Tikitiki besuchen wir die sehr schöne St. Maray’s Chruch mit den prachtvollen
Maorischnitzereien am Eingang und im Altarraum. In dieser Kirche hat jeder Einwohner seinen eigenen Platz. Auf allen Bänken liegen bunt bestickte Kissen mit den Monogrammen ihrer Besitzer. Einige Kilometer weiter treffen wir in Te Araroa ein. Auch in diesem Dorf sind wir die einzigen Weissen und fühlen uns nicht so richtig wohl. Im Schulhof des Städtchens steht ein imposanter Pohutukawabaum. Er soll mit 40 Meter Gesamtumfang der dickste des Landes sein. Bei Raukorkore machen wir bei einer kleinen Kirche halt, die auf einer Landspitze steht und über einen schön geschnitzten Eingang und einen Friedhof im typischen Maoristyle verfügt. Auf dieser Langen Wegstrecke ist uns dann fast das Benzin ausgegangen, denn Tankstellen gibt es hier offenbar keine. Wir hätten vor unserer Abfahrt voll Tanken sollen. Mit dem sprichwörtlich letzten Tropfen fahren wir in Hicks Bay an eine Zapfsäule, die oh Wunder auch am Sonntag einsatzfähig ist. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Auf der ganzen Fahrt kommen wir immer wieder an grandiosen Stränden und Buchten vorbei, die aber nur von Weitem so toll aussehen. Von der Nähe betrachtet kommt dann die Ernüchterung. Meistens sind diese völlig verdreckt, Hausmüll und angeschwemmtes Holz liegen massenweise umher und es wäre
unmöglich, ein Spaziergang zu unternehmen. Wie ärmer die Gegend, desto ungepflegter die Landschaft. Schade eigentlich! Nach einer gefühlten Fahrzeit von zehn Stunden erreichen wir die Sonnenstube von Neuseeland. Whakatane ist eine aufstrebende Stadt in der Bay of Plenty. Unser deluxe Campground liegt direkt am Meer an einem 11km langen und sauberen Sandstrand. Die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel. Wir haben in den vergangenen Wochen sehr viel gesehen und allerhand unternommen. Jetzt bleiben wir hier einfach mal 3 Tag am Meer und geniessen das „dolce far niente“. Fast überall in Neuseeland ist das Wetter nicht so toll und wir haben hier auf Tage hinaus prächtigen Sonnenschein bei 22° Celsius. Die weite Fahrt hat sich für uns also voll gelohnt. Ich beende nun diesen Bericht, denn wir werden jetzt die Füsse hochlagern und einfach nur ausspannen.


23.11 - 25.11 2011  Übers hügelige Hinterland des Ostens an den Pazifik nach Hastings


Nach wunderbaren Tagen des nichts tuns, ausser ausgedehnten Strandspaziergängen, in Whakatane durch Läden und Shops zu flanieren und von Cafés aus das Treiben auf den Gassen zu beobachten, fahren wir nun endgültig Richtung Süden. Das Programm für die nächsten Etappen ist schnell zusammengestellt, denn es besteht zum grössten Teil aus Campervan-Fahren. Zunächst gilt es aber noch etwas für die Fitness zu tun. Ab in den nächsten Mc Donalds, einen Big Mac mit Pommes, eine Cocke
„ZERO“ danach eine Riesentasse Cappuccino mit einem ebenso gewaltigen Muffin verdrücken und schon haben wir die Kalorien für die nächste Woche zusammen. Eigentlich wollte ich die letzten Tage mal unseren Campervan einer gründlichen Aussenreinigung unterziehen. Durch das viele Gravel-Road-Fahren hat sich sein unschuldiges Weiss in ein hässliches Grau-Braun verwandelt. Nicht dass wir damit auf der Strasse auffallen würden, denn hier ist das Verhältnis vom Halter zu seinem Fahrzeug nicht so innig wie in der Schweiz. Man wartet lieber auf den nächsten Regenguss, in der Hoffnung, dass er stark genug ist um das Gröbste wegzuspülen. Aber wir ticken da halt immer noch etwas anders. Seit wir in Neuseeland unterwegs sind haben wir noch keine Waschstrasse für Autos oder etwas Ähnliches gesehen. Es ist halt nicht so wichtig. Generell sind dem typischen Neuseeländer, wenn es den überhaupt gibt, Dinge wie Ästhetik, Sauberkeit und Perfektion nicht prioritär. Dinge wie Fröhlichkeit, Lebensfreude und „easy going“ sind da viel wichtiger. Was hier in Neuseeland sofort auffällt ist, dass die Leute einen freundlich grüssen, man irgendwo von irgendwem angesprochen wird und wenn man Hilfe benötigt vermutlich bevor man Fragen kann die entsprechende Hilfestellung auch bekommt. Ein Beispiel: Wir sind mit dem Campervan unterwegs und haben trotz Navi (Schande über mich) einen Abzweiger verpasst. Auf einer kleinen Einfahrt wende ich das Fahrzeug. Eine Postbotin fährt mit ihrem Wagen an uns vorbei, kehrt um und fährt ein paar hundert Meter zu uns zurück um zu fragen: „Kann ich helfen, bist du richtig hier oder hast du dich verfahren?“. Ein
weiteres Beispiel. Wir sind mit unserem Mini-Mobilehome in Gisborne, einer grösseren Stadt unterwegs und wollen bei einer mehrspurigen Strasse rechts abbiegen. Unsere Ampel zeigt aber permanent Rot und das verdammte Ding will nicht auf Grün wechseln. Hinter uns staut sich schon der Verkehr. Plötzlich hält ein Wagen neben uns an. Ein lächelnder Maori lässt die Scheiben seines Pickups runter und erklärt uns, dass wir ganz auf die weisse Linie vor der Ampel fahren müssen sonst würde die Ampel für uns nie auf Grün springen. Gesagt getan und schon zeigt die Ampel Grün. Das ganze Prozedere hat sicher gut und gerne fünf Minuten gedauert. Keiner hat aber in der Zwischenzeit seinen Unmut durch Rufen oder Hupen kundgetan. So sind sie halt, die Neuseeländer(innen) – einfach grossartig! Unser heutiger Weg führt uns über Opotiki nach Gisborne durch eine alpenähnliche Landschaft mit gewundenen Passstrassen an schönen Rastplätzen mit grandiosen Aussichten vorbei. Dann und wann tauchen so genannte „Scenic Reserves“ auf, die vom DOC ausgeschildert sind und von denen man kleine Walks durch die üppige Natur unternehmen kann. Bei Whirinaki führt uns ein Tschungel-Pfad auf einer anderthalbstündigen Wanderung zu einem romantischen Wasserfall, der durch das vorangegangene Gewitter auch richtig schön Wasser führt. Bevor wir in Gisborne auf den Campingplatz fahren besuchen wir noch die City mit ihren architektonisch wunderschönen Hotels und Läden mit z.T. schönen Maori-Schnitzereien. Auf dem Campground angekommen schliessen wir unseren Wagen an Strom und Wasser an. Das ist natürlich Männersache. In den Camper rein und dann wieder raus, alle Systeme checken, dann wieder mit Schwung in den Wagen rein und dann passiert es. Wie auf den meisten Fotos zu sehen ist, trage ich diese „schreckliche“ (sagt Martha) Baseball-Kappe. Der lange Deckel dieser Mütze nimmt einen gegen oben die Sicht. Mit voller Wucht knalle ich beim Einsteigen gegen die Dachkante des Campers. Augenblicklich wirft mich dieser Schlag wieder rückwärts aus der Türe. Ein dumpfer Schmerz zieht sich über den Schädel Richtung Nacken. Es fühlt sich so an wie wenn mir einer mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen hätte. Martha, die alles gesehen hat, hält sich den Bauch vor lachen und spottet: „das hat ausgesehen wie bei Stan Laurel!“. Ich kann gar nicht verstehen, dass man so Schadenfreudig sein kann, zumal mich seit dem heftige Nackenschmerzen plagen – so sind sie halt, die Frauen. Wenn ich jetzt in den Van einsteige tönt’s immer schon von Weitem: „Achtung, Mütze weg!“. Trotz meinem Brummschädel habe ich gut geschlafen. Am anderen Morgen sind wir früh wieder unterwegs nach Napier. Diesmal wollen wir dort einen ganzen Tag verbringen und die prächtigen Häuser an der Hafenpromenade besichtigen. Zwei riesige Kreuzfahrtschiffe, die schon von der Ferne zu sehen waren, haben an der Pier festgemacht und die Passagiere werden scharenweise mit Bussen in die Stadt gefahren. Wir schmunzeln und sind froh, dass wir uns einem solchen Massentourismus entziehen können. Am Nachmittag besuchen wir „The National
Aquarium“. Ein futuristischer Bau an der Marine Parade beheimatet Flora und Fauna der Unterwasserwelt von Neuseeland. Erwartungsvoll gehen wir von einem Schaubecken zum anderen. Aber schon bald müssen wir feststellen, dass man vieles davon schöner und gepflegter auch im Basler Zoo sehen kann. Das einzige Highlight ist ein gläserner Tunnel, der durch ein riesiges Aquarium führt. So kann man mitten durch Fischschwärme gehen und ist von Haien und Rochen umgeben. Nach ca. einer Stunde verlassen wir diesen Gebäudekomplex mit der Erkenntnis, dass man sich auch hier das Eintrittsgeld hätte sparen können. Am Abend sitzen wir mit anderen Campern gemütlich an einem Tisch und werden grossartig mit Gesangs- und Tanzvorführungen jugendlicher Maoris unterhalten, die auf ihrer Klassenfahrt sind. Wir sind begeistert von diesen Südseeklängen, die diese Mädchen und Jungs mehrstimmig vortragen. Ein gelungener Abschluss dieses Tages. Am anderen Morgen schlendern wir nochmals durch Napier und sind von der Architektur dieser Stadt begeistert. Viele Geschäfte und Cafés sind jetzt schon hübsch weihnachtlich dekoriert. Die Sonne scheint vom stahlblauen Himmel. Wir setzen uns an den Strand und sehen auf den unendlichen Ozean, wo am Horizont ein Kreuzfahrtschiff auftaucht und in den Hafen von Napier einläuft. Wir haben wieder mal die Zeit vergessen und es ist inzwischen schon so spät, dass wir nur noch unseren nächsten Bestimmungsort, Hastings, anfahren können. Die 5-stündige Wanderung zum „Cape Kidnappers“ können wir erst am Samstag unternehmen, da diese am Strand entlang führt und genau nach Ebbe und Flut getimt werden muss, wenn man nicht nasse Füsse kriegen will.


26.11 - 28.11 2011  Von Hastings im Osten der Nordinsel nach Wellington


Für heute Morgen haben wir ausnahmsweise den Wecker gestellt. Wir müssen relativ früh raus um unsere Wanderung, auf dem 9 km langen Sandstrand (hin und zurück 18 km) gezeitengerecht beginnen und beenden zu können. Dieser Sandstrand ist nur zwischen den Höchstständen der Flut begehbar, in der restlichen Zeit ist er meterhoch unter Wasser. Das Timing ist besonders wichtig, denn es wäre verheerend, wenn man sich da verrechnen würde. Auf der einen Seite das Wasser, auf der anderen Seite über hundert Meter hohe Felsklippen. Wir hätten also keine Fluchtmöglichkeit, wenn wir von der Flut überrascht würden. Für die ganze Wanderung benötigt man, bei zügigem gehen, ca. 5 Stunden. Für die Besichtigung der Tölpel-Kolonie beim Cape Kidnappers rechnen wir eine halbe bis dreiviertel Stunde. Also müssten wir bei einem Ebbe- und Flutzyklus von 6 Stunden genau hinkommen. Der Höchststand der Flut war heute früh um 6.30
Uhr; also gehen wir um 9.30 Uhr los und müssen bis spätestens 15.30 Uhr zurück sein. Wir sind beim Losmarschieren fast ganz alleine und geniessen die frische Brise vom Ozean her. Das Wetter ist heute gemischt „Cloudy“, wir haben also mal sonnige mal eher bewölkte Abschnitte. Wir gehen wie geplant zügig voran. Vorsorglich haben wir die Wanderschuhe angezogen, denn man weiss bei solchen Strandwanderungen nie welches Terrain man antreffen wird. Schon bald stellt sich heraus, dass diese Entscheidung richtig gewesen ist. Nach kurzer Marschzeit ist der feine Sand mit Steinen versetzt und auf gewissen Abschnitten wird der Untergrund felsig. Da die Flut immer noch sehr hoch steht haben wir manchmal nur einen schmalen Pfad zwischen Wasser und Klippen. Das Gehen im nassen und tiefen Sand strengt mächtig an. Obwohl alles meistens gerade aus geht spürt man nach einigen Kilometern ein leichtes ziehen im Oberschenkel. Wir machen unterwegs jeweils nur kurze Stopps um zu trinken oder zu fotografieren. Wir haben in einigen Berichten gelesen, dass viele bevor sie die Kolonie der Tölpel erreicht haben aus Zeitgründen wieder umkehren mussten. Wir aber sind immer noch genau im berechneten Zeitfenster und nach ca. 2 Stunden treffen wir auf die erste kleine Kolonie an den Klippen und auf vorgelagerten Felsen im Meer. Es ist ein erhebender Anblick, diese Akrobaten der Lüfte bei ihren Flugmanövern zu beobachten. Fleissig wird Seetang für den Nestbau herbeigeschafft. Ein paar hundert Meter weiter ist der gesamte Strand noch mit Wasser überspült. Wir könnten warten bis sich das Wasser noch etwas zurückzieht oder wir wagen eine Kletterpartie über Felsvorsprünge bei den Klippen. Martha ist von dieser Art Wanderung natürlich nicht begeistert aber nach einem Kraftakt ist auch dieses Hindernis überwunden. Anschliessend ist der Weg gut zu begehen, bis auf den steilen Schlussaufstieg zu den Klippen hoch. Dort müssen nochmals die letzten Kraftreserven mobilisiert werden. Ohne Pause steigen wir zur Vogelkolonie hinauf und sind vom Anblick überwältig. Ca. 10'000 Brutpaare haben ihre Nester auf dem äussersten Rand eines
Klippenplateaus angelegt. Ein lautes Kreischen und Rufen gepaart mit einem penetranten Geruch des Vogelkots beherrscht diese Szenerie. Jeder Vogel findet seinen Partner durch zurufen und wenn dieser gefunden ist gibt es ein ausführliches Begrüssungsritual. Schnell ist die „Besuchszeit“ vorbei und die herannahende Flut zwingt uns zum Aufbruch. Der Rückmarsch kommt uns unendlich lang vor. Nachdem wir den Ausgangspunkt der Wanderung erreicht haben sind wir völlig geschafft aber glücklich über das Gesehene und Erlebte. Die Rückfahrt zum Campingplatz in Hastings dauert nur ca. 20 Minuten.
Und so können wir (zumindest ich, Martha bereitet das Nachtessen zu) die Beine hochlagern und etwas entspannen. Am anderen Morgen lassen wir es wieder etwas gemütlicher angehen. Unser Weg führt uns über ausgedehntes Farmland südwärts. Die Gegend ähnelt nun immer mehr unserer Alpenlandschaft. Bald sehen wir in der Ferne die ersten schneebedeckten Berggipfel und so kommen noch mehr heimatliche Gefühle auf. Trotz wunderschönem Wetter bläst ein stetig kräftiger Wind. Da wir uns nach getaner „Arbeit“ noch etwas körperlich betätigen möchten, suchen wir nach einem sportlichen Ausgleich, der auch bei starkem Wind im Freien ausgeübt werden kann. Nach langem Überlegen ist Martha die zündende Idee gekommen. Boggia wäre doch genau das Richtige. Ich finde diesen Einfall grossartig, doch kennen die Kiwis dieses Spiel überhaupt? Von nun an geht die Sucherei richtig los. In jedem kleinen oder grösseren Städtchen werden alle Toy-Stores durchstöbert. Doch leider finden wir nichts dergleichen. Plötzlich und völlig unerwartet sehen wir in einem Schaufenster das lang ersehnte Boggia, das wir sogleich kaufen. Schon am ersten Abend wird eine Partie gespielt. Doch die Enttäuschung folgt sogleich. Einige Kugeln werden Spiel um Spiel immer leichter. Schon bald merken wir, dass diese mit Wasser gefüllt sind und nach und nach dasselbige durch ein kleines Leck verlieren. Also für uns „Profis“ völlig unbrauchbar. Der Hauptzweck unserer Reise gilt nun der Suche nach einem adäquaten Boggia. Tatsächlich werden wir dann in Masterton fündig. Endlich können wir nun unsere Tour wieder stressfrei und entspannt fortsetzen. Die vorläufig letzte Etappe auf der Nordinsel führt uns nach Wellington. Am Abend zuvor haben wir noch via Internet die Passage mit der Fähre auf die Süd- und 6 Wochen später wieder zurück auf die Nordinsel gebucht. Das Wetter hat sich eingetrübt und für den weiteren Tagesverlauf ist Regen angesagt. Es bläst ein kräftiger Südwind (der hier kalt ist, weil dieser von der Antarktis her kommt) und wir müssen uns entsprechend wärmer kleiden. Die Fahrt führt uns über unendlich lange Geraden in das Gebiet zwischen Featherston und Upper Hutt. Hier beginnt eine kurvenreiche Passstrasse. Der Südwind legt kräftig zu und unser Campervan ist kaum mehr auf der Strasse zu halten. Einige Windböen werden so stark, dass selbst ich als winderprobter Surfer zum Anhalten gezwungen werde. Auch die Einheimischen fahren mit ihren Pickups auf die nächsten Rastplätze. Nach ein paar Minuten des Wartens, wagen wir es weiter zu fahren. Wieder wird der Wagen durch den Wind hin und her geworfen. Auf einigen Passagen werden sogar Steine von den Berghängen an die Frontscheibe geschleudert. Wir haben noch nie solch starke Winde erlebt. Die Wolken fliegen förmlich an uns vorbei und der Wind heult durch alle Ritzen unseres Mobilehomes. Schon tauchen die ersten Leuchtschilder auf, die uns vor der Weiterfahrt warnen. Doch wir sind mutig und setzen die schwankende Tour fort. Endlich kommen wir auf der Passhöhe an und der Wind wird merklich schwächer. So erreichen wir nach einer turbulenten Fahrt die Hauptstadt Neuseelands „Wellington“. Hier werden wir uns 3 Tage lang die Sehenswürdigkeiten der Region zu Gemüte führen, bevor wir mit der Fähre auf die Südinsel übersetzen.


29.11 - 1.12.2011  Wellington und die Überfahrt nach Picton zur Südinsel


Wellington ist wunderschön in eine Bucht mit sanft ansteigenden Hügeln (sieben an der Zahl) angelegt. Mit seinen 180'000 Einwohnern ist die Stadt recht klein und übersichtlich. Wenn man aber das erste Mal in die durch Hochhäuser gesäumte Strassen am Meer fährt, spürt man das Flair einer Grossstadt. Ein Blick auf
den Stadtplan zeigt aber, dass man fast alle Sehenswürdigkeiten zu Fuss erreichen kann. Wir parken unseren Campervan in der Nähe des Hafens und stellen an den Parkgebühren fest, dass in der City Platz Mangelware und entsprechend teuer ist. Ein Spaziergang am Hafenviertel entlang führt uns an sehenswerten Bauwerken vorbei. Überall gibt es kleine Bars und Kaffees, die zum Verweilen einladen. Die ganze Waterfront kann direkt am Meer entlang begangen werden und bietet eine tolle Sicht auf die ein- und auslaufenden Fähren und Kreuzfahrtschiffe. Der Besuch im Te Papa Museum ist bei einem Aufenthalt in Wellington Pflicht, ist kostenlos und lohnenswert. Das modern gestaltete Gebäude beherbergt die bedeutendste Sammlung neuseeländischer Kunst und ist auf verschiedenen Ebenen unterschiedlichen Themen rund um Neuseeland gewidmet. Von der Entstehung der Inseln und ihre noch heute stark vulkanischen Aktivität, zu der Lebensweise und den Gebräuchen der Maoris bis zur Tier- und Pflanzenwelt der Region. Ein Walskelett an der Decke demonstriert die eindrucksvolle Grösse dieser Meeressäuger und ein Krake, der in einer Konservierungslösung eingelegt ist und stolze 495 kg wiegt, ist zu bestaunen. Ein ausgedehnter Spaziergang in die Innenstadt führt uns in die Einkaufs- und Shopping-Meile, dem pulsierenden Mittelpunkt dieser Stadt. Obwohl alles nahe beieinander liegt spüren wir nach einigen Stunden die zurückgelegte Wegstrecke in unseren Knochen, die wir zu Fuss absolviert haben. Da wir hier drei Tage bleiben, können wir unbesorgt unseren Campingplatz, der ca. 15 km ausserhalb der Stadt liegt aufsuchen und uns dort häuslich einrichten. Die nächsten beiden Tage erkunden wir die Stadt und das weitere Umfeld dieser Metropole etwas intensiver. Eine  schöne Scenic Route führt am Meer entlang zu verschiedenen Aussichtspunkten, die immer wieder neue spektakuläre Blickwinkel auf die Stadt frei geben. An der Oriental Parade ist ein einladender Sandstrand und auf dem Mt. Victoria bekommt man einen herrlichen Überblick über die gesamte Region. An der Lyall Bay schauen wir den Wellenreitern zu, die versuchen sich mit mehr oder weniger Geschick auf dem Brett zu halten. An der Island Bay gönnen wir uns ein kleines Picknick und
entdecken am Strand vor uns eine Robbe, die genüsslich ein Sonnenbad nimmt. Ich „robbe“ mich an sie heran, um ein möglichst tolles Foto zu machen. Doch das passt dem Meeressäuger gar nicht. Durch Knurren und Zähnefletschen gibt er mit zu verstehen, dass ich Abstand halten soll; verständlich ich möchte auch nicht beim „Sönnele“ fotografiert werden. Wir fahren weiter an die Owhiro Bay, bei der wir zu einem mehrstündigen Strand Walk zu den Red Rocks aufbrechen. Die Brandung ist hier besonders eindrucksvoll. Das türkisfarbene Wasser kommt in meterhohen Wellen an die Küste und bricht
schäumend und donnernd über den vorgelagerten Felsen zusammen. Ein Augen- und Ohrenschmaus. In der Ferne sehen wir die Autofähre, die auch uns morgen auf die Südinsel nach Picton bringen wird. Zu einem Besuch in Wellington gehört natürlich eine Fahrt mit der Standseilbahn (Cable Car) auf die Anhöhe von Kelburn. Auf einem wunderschön angelegten Pfad kann man durch den abwechslungsreichen Botanic Gardens wieder hinunter in die Stadt schlendern. An unserem vorläufig letzten Abend auf der Nordinsel gehen wir im schönen Hafenviertel essen, nicht bevor wir uns an einer Bar meinen heissgeliebten Gin-Tonic und Martha ihren Campari-Orange gegönnt haben. Hier am Ozean wird täglich fangfrischer Seafood kredenzt und weil wir diesen gerne zu Spaghetti resp. auf einer Pizza essen, gehen wir keine Experimente ein und lassen uns beim Italiener nieder. Doch die Begeisterung über das servierte Mal hält sich bei uns beiden in Grenzen. Martha ist mit ihren zu weich gekochten Nudeln und den zugegeben leckeren Muscheln noch halbwegs zufrieden. Doch meine Pizza schmeckt wie eine aus dem Kühlregal eines Supermarktes, vielleicht ist es ja auch eine solche. Versöhnlich kann uns da nur noch der abschliessende Cappuccino stimmen. Dieser ist wie immer hervorragend und ich kann den Geschmack dieses Teigfladens endlich loswerden. Fazit des Restaurantbesuchs: Das Essen ist hier zwar nicht gut dafür aber teuer. Für die vorläufig letzte Übernachtung auf der Nordinsel haben wir uns einen ganz
speziellen Campingplatz ausgesucht. Mitten in der Stadt auf einem Parkareal, nur ein paar Minuten vom Abfahrtsort unsere Fähre entfernt, befindet sich dieser Campground, der mit allem ausgestattet ist, was das Camperherz begehrt. So können wir uns am anderen Morgen den Anfahrtsweg zur Hauptverkehrszeit in die City ersparen und sofort bei der Fähre einchecken. Martha leistet sich den Spass und posiert am Abend, mitten in der Stadt im Pyjama vor der Skyline von Wellington. Um die Fähre am Morgen des 1. Dezembers nicht zu verpassen stellen wir den Wecker, der uns pünktlich um 6.00 Uhr aus den Träumen reisst. Ein prächtiger Sonnenaufgang begrüsst uns und verspricht eine ruhige und schöne Überfahrt. Nach dem Morgenprozedere auf dem Campingplatz fahren wir die paar Meter zum Fährhafen. Nach den Formalitäten beim Office der Bluebridge geht es über die Einstiegsrampe in den Bauch des Schiffes. Nach einer halben
Stunde legt die Fähre ab und verlässt den Hafen südwärts. Wellington zieht nochmals in seiner ganzen Pracht an uns vorbei, bevor wir auf den offenen Ozean hinaus schippern. Der Wellengang ist gering und das Schiff wankt nur unmerklich doch der Wind nimmt stetig zu. Nach ca. einer Stunde Fahrzeit nehmen wir ein reichhaltiges Frühstück zu uns und sind sicher, dass wir das Essen bei dieser ruhigen See auch im Magen behalten können; Pech für die vorbeischwimmenden Fische! Auf halber Wegstrecke kommt uns die Schwesterfähre, die in Picton losgefahren ist, entgegen.  Nach einer weiteren Stunde fahren wir durch den landschaftlich wunderschönen Queen Charlotte Sound und nach insgesamt 3,5 Stunden läuft die Fähre im malerischen Hafen von Picton ein. Von hier aus beginnt unsere 6-wöchige Reise auf der Südinsel. Doch zunächst werden wir hier zwei Tage bleiben und auf kleinen Touren diese Küstenregion erkunden.


Die weiteren Berichte sind von jetzt an unter der Rubrik Südinsel (Reiseberichte / Bildergalerie) zu finden.



NORDINSEL 2. Teil – ab dem 10.1.2012



10.1.2012 - 15.1.2012  Upper Hut, Wanganui, Taumarunui, Cape Egmont, New Plymouth


Am 10.1.2012 sind wir mit der Fähre pünktlich in Wellington angekommen. Der Wetterbericht macht uns wie gesagt einwenig Bauchschmerzen. Wir spielen etwas auf Zeit und beschliessen in Birchville bei Upper Hutt zu übernachten und warten die Meteovorhersage vom nächsten Morgen ab. Die Situation betreffs der Reiseplanung ist immer noch dieselbe, bei etwas schönerem Wetter nochmals an der Ostküste entlang nach Norden zu fahren oder bei schlechten Bedingungen, die uns noch unbekannten Nationalparks an der Westküste zu besuchen. Am frühen Morgen schauen wir wie gebannt auf die Satellitenbilder im Internet. Leider ist die Situation fast unverändert schlecht. Wie meistens entscheiden wir uns auch diesmal für die risikoreichere Variante. Wir fahren trotz Regen an die Westküste. Der Weg führt uns über die kurvenreiche
Paekakarik Hill Road zum gleichnamigen Ort. Die ersten Sonnenstrahlen zeigen sich zwischen den Wolken. Auf einer Anhöhe vor der Stadt blicken wir auf den direkt am Meer gelegenen Queen Elizabeth Park. Wir beschliessen, diesen in einer mehrstündigen Wanderung zu erkunden. Der Costal und der Inland Track gehen über dicht bewachsene Dünen mal direkt am Meer dann wieder im Innern des Parks entlang. Prächtige Blumen und Grünpflanzen säumen den Weg und aus den Büschen hören wir unterschiedliche Vogelstimmen. Der Westwind hat endlich fast alle Wolken vertrieben und es ist richtig schwülwarm. Obwohl wir kaum Steigungen zu bewältigen haben sind wir mächtig am transpirieren. Doch das extrem kalte Wasser hält uns von einem Bad im Meer ab. Wir fahren noch ein gutes Stück Richtung Norden, damit wir
genug Zeit in den verschiedenen Nationalparks verbringen können. In Wanganui finden wir einen hübschen aber teuren Campgrond (50 NZ Dollar), der direkt am gleichnamigen Fluss gelegen ist. Wieder stellt sich uns die Gretchenfage; fahren wir weiter der Küste Entlang oder machen wir einen Abstecher ins Landesinnere. Eines unserer Ziele in Neuseeland ist die Wanderung über den Tongariro Vulkan (Tongariro Alpine Crossing. Diese anstrengende Tour dauert ca. 8 Stunden und kann nur bei guten Sichtverhältnissen durchgeführt werden. Wir wollten diesen Track schon vor Wochen, als wir noch an der Ostküste waren, in Angriff nehmen. Leider hatten wir damals kein Wetterglück und mussten darauf verzichten. Und jetzt sieht es wieder gar nicht gut aus. Der Himmel ist bedeckt und zwischendurch regnet es aus den tief hängenden Wolken. Wir versuchen es trotzdem und fahren über den Highway No 4, der durch schönes und hügeliges Farmland führt, zum kleinen Örtchen Ohakune an der Westflanke des Mt Ruapehu. Von hier aus kann man diese geführte Wanderung zum Tongariro buchen – aber natürlich nicht bei diesem Sauwetter. Etwas resigniert begeben wir uns zum Visitor Center und studieren Karten und Routen. Wir wollen noch nicht aufgeben und fahren die ca. 50 km zum Whakapana Village im Tongariro Nationalpark. Auch hier gibt es die Möglichkeit diese Tour auf der Gegenseite über die Vulkane zu machen. Zu unserer Enttäuschung stellen wir fest, dass das Wetter kaum besser ist und die Vulkane in dichte Wolken gehüllt sind. Ernüchtert müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir diese Wanderung nicht machen können, aber stellen mit Genugtuung fest, dass wir alles dafür gegeben haben. Als kleiner Trost können wir eine mehrstündige Tour durch das Vulkangebiet am Fuss des Mt Ruapehu unternehmen. Da diese Wege nicht so hoch liegen sind sie wolkenfrei und auch bei nicht ganz idealen Bedingungen begehbar. Auf dem Whakapapnui und dem Silica Rapids Track gelangen wir direkt ins Vulkangebiet des Mt. Ruapehu. Er ist der aktivste und höchste der drei Vulkane (Mt Ruapehu 2797 m, Mt Nagauruhoe 2291 m, Mt Tongariro
1967 m) und ist in den letzten 60 Jahren gleich 60 Mal ausgebrochen. Es führen z.T. befestigte Wege über Hochmoore und Flüsse, die mal rotbraune mal gelbe Sedimente mit sich führen, je nach der chemischen Zusammensetzung des Gesteins. Blumen, Sträucher und steppenartige Gräser, die meistens nur in vulkanischen Regionen vorkommen gedeihen zwischen dem schwarzen porösen Lavagestein. Wir wandern hoch bis zur Wolkengrenze, in der nur noch spärlich Pflanzen vorkommen. Der Mt Ruapehu ist ein beliebtes Skigebiet. Die Pisten und Lifte führen quer über Lavageröllhalden. Man hat hier eines der aufwendigsten seismischen Frühwarnsysteme installiert, das bei aufkommender Gefahr Wanderer und Skifahrer möglichst früh vor einem Ausbruch warnt. Durch diese unwirkliche Mondlandschaft führen tiefe Schluchten an deren Hängen das Lavagestein je nach Beschaffenheit mal schwarz, grau oder gar rot in der Abendsonne leuchtet. Nach dem Rückmarsch ins Whakapapa Village besteigen wir unseren Campervan und fahren westwärts, denn wir wollen am nächsten Tag in den Egmont Nationalpark. Auf halber Wegstrecke machen wir irgendwo im Niemandsland (Manunui) halt und übernachten auf einem kaum besuchten aber schnuggligen Campingplatz. Das Wetter ist weiterhin sehr unbeständig und am nächsten Morgen regnet es bereits
wieder. Es hat in der Nacht in der Region einige Unwetter gegeben und so ist es ratsam, die „Road Information“ zu studieren, bevor man losfährt. Wir haben uns für die Strecke zur Westküste eine besondere Strasse ausgesucht, den „Forgotten World Highway“ (Vergessene Welt Strasse). Die 155 km lange Route verbindet Taumarunui und Stratford. Schon nach wenigen Fahrkilometern wird uns bewusst, warum diese Strasse so heisst. Sie windet sich in engen Schluchten durch tropischen Urwald. Die z.T. ungepflasterte und schmale Strasse ist an vielen Stellen durch heruntergestürztes Geröll und vom Sturm abgerissenen Ästen übersät. Wir kommen nur sehr langsam voran und müssen aufmerksam und vorsichtig sein. Wir sind fast die einzigen, die auf dieser Strecke unterwegs sind und bei einer Panne oder einem Fahrfehler müsste man hier wohl lange auf Hilfe warten. Ab und zu geht es durch enge, unbeleuchtete und unausgebaute Tunnels. Wir sind froh, dass unser Van nicht grösser ist. Viele von den breiteren und höheren Fahrzeugen könnten an diesen Passagen nicht weiter fahren. Ein Fluss, der tiefbraunes Hochwasser führt schlängelt sich der Strasse entlang. An den Ufern mit üppigem Grün bewachsen und voller Treibgut sucht er sich den Weg durch den Dschungel. So ähnlich muss es vermutlich im Amazonasgebiet aussehen, denken wir, als wir von einer Brücke in den von dichtem Busch umgebenen Fluss schauen. Ein Strassenschild mit dem Vermerk „Welcome back to New Zealand“ kündigt das Ende dieser ganz speziellen Strasse an. Über Eltham fahren wir zum westlichsten Punkt der Nordinsel, zum Cape Egmont. Auf der Wetterkarte haben wir bereits gesehen, dass in New Plymouth ein Thunderstorm tobt. Seine drohenden Ausläufer sind schon am sich verdunkelnden Himmel sichtbar. Kurz nach Opunake erreicht uns der Sturm mit voller Kraft. Wir werden hin und her geschüttelt, der Regen peitscht gegen den Wagen und wir können trotz langsamer Fahrt nichts mehr sehen und
müssen anhalten. Der Spuk ist nach einigen Minuten vorbei und wir können weiter zum Cape Egmont fahren. Eine schmale Strasse führt an der windumtosten Küste entlang. Es ist schon Abend und ich möchte nach dieser langen und beschwerlichen Strecke nicht mehr weiter fahren. Ich beabsichtige an einer kleinen und versteckten Stelle, direkt an der tosenden See „wild“ zu campieren. Martha ist es bei dem Gedanken etwas flau in der Magengegend. Aber nach einigen Überredungskünsten meinerseits willigt sie schliesslich ein. Wir haben ja alles dabei, Bett, Tisch, ein Dach über dem Kopf, genug zu Essen und zu Trinken. Seit geraumer Zeit darf man in Neuseeland nur noch auf ausgeschilderten Plätzen campieren. Dann tun wir halt mal was Verbotenes! Der sonst schon starke Wind frischt nun immer mehr auf. Martha steht am Herd und bereitet im heftig schwankenden Camper leckere „Äuplermagerone met Öpfuschnetzli“ zu. Während des Nachtessens zieht sich die Flut immer mehr zurück und wir sehen bei untergehender Sonne auf den von der Ebbe freigelegten schwarzen Steinstrand. In kurzen Abständen bauen sich immer wieder dunkle Wolken auf und entleeren ihre feuchte Fracht in heftigen Schauern über uns. Der Wind pfeift zu allen Ritzen herein und er macht keine Anstalten irgendwann abzuflauen. Tatsächlich verbringen wir direkt an der Küste, knapp über den
Brandungswellen keine ruhigen Stunden. Am Morgen meint Martha lakonisch: „so eine stürmische Nacht habe ich noch nie erlebt.“ Sie meint das natürlich nur in Bezug aufs Wetter – hoffe ich doch. Nach einer kurzen „Katzenwäsche“ fahren wir ungeduscht Richtung New Plymouth. Es ist Samstag und zu unserem Erstaunen haben viele Geschäfte geschlossen oder öffnen erst so gegen zehn Uhr. Das Wetter ist leicht besser geworden, für eine längere Wanderung im Egmont Nationalpark ist es aber nicht gut genug. So gehen wir in eine der vielen Grünanlagen der Stadt. Im Pukekura Park, der im Zentrum gelegen ist, gibt es in der 21 Hektar grossen Anlage für jeden etwas. Sportler, absolvieren hier ihr tägliches Fitnessprogramm und der Seniorenclub trifft  sich im Tea House zu einem gemütlichen Klatsch. Man kann zwischen wunderschönen Seen und Gartenanlagen mit prächtigen Blumen locker ein paar Stunden verbringen. Am Nachmittag werden die Wolken weniger und wir fahren zum 38 km entfernten North Egmont. Im Visitor Center informieren wir uns über den Park und über evtl. Walks. Der Mount Taranaki, ist ein rund 2'500 m hoher Vulkan. Bei guten Bedingungen ist er schon von weitem zu sehen. Wir können ihn leider nur mit weisser Wolkenhaube bestaunen. Heute wird es definitiv nichts mit einer Wanderung rund um den Vulkan. Da uns noch ein paar Tage in Neuseeland verbleiben warten wir hier idealere Verhältnisse ab. Die neusten Prognosen kündigen bereits ein Hochdruckgebiet an. So kommen wir eventuell doch in den Genuss einer Wanderung im Egmont Nationalpark.


16.1 - 20.1.2012  Von New Plimouth zurück nach Auckland


Nach einem Tag auf dem Campground in New Plymouth, in dem wir alles auf „Vordermann“ gebracht haben: Camper geputzt, Wäsche gewaschen, Laptop und Kamera gereinigt, Backups erstellt, Lebensmittel eingekauft, Reiseunterlagen studiert, Füsse hochgelagert; geht es nochmals in den Egmont Nationalpark. Das hehre Ziel ist die Besteigung des Mount Taranaki. Der Gipfel des Vulkans ist am Morgen noch immer mit einer weissen Wolkenhaube versehen. Das ist ganz normal, denn nur selten bekommt man diesen Berg ohne verhüllte Spitze zu Gesicht. Wenn man aber wirklich ganz hinauf will muss es absolut wolkenfrei sein. Denn oben wird der Pfad sehr steil, eng und schwierig und eine perfekte Sicht ist unabdingbar. Beim Visitor
Center in Nord Egmont geht es über den Summit Track ca. 1,5 Stunden zuerst steil und dann noch steiler hinauf bis zur letzten Hütte (Tahurnagi Lodge) am Fuss des Kraterkegels. Es ist drückend heiss und wir sind bei Ankunft bei der Lodge schon kräftig am Pumpen aber voller Tatendrang. Von hier aus sind es nochmals ca. 2 Stunden bis zum Gipfel. Wir wandern weiter an der Ostflanke hoch bis an die Wolkengrenze. Bei diesen Bedingungen können wir aber auf keinen Fall weiter steigen. Auch nach einer halben Stunde des Wartens hat sich die Situation nicht verbessert; im Gegenteil. Die trübe
Suppe wird immer dichter und ist im Begriff, den ganzen oberen Teil des Berges zu umhüllen. Schweren Herzens müssen wir die Übung „Gipfelsturm“ abbrechen und über eine schöne Ausweichroute Entlang des Kraterkegels, die traumhafte Ausblicke ins Tal bietet und über verschlungene Wege, Gräben und Bäche wieder zum Ausgangspunkt zurückführt. Nach ca. 4 Stunden Wanderzeit nähern wir uns dem Visitr Center. Wir blicken auf den Vulkan und stellen fest, dass sich nun die Wolkendecke immer mehr hebt. Vielleicht haben wir ja das Glück, dass es wenigstens ein Foto vom wolkenfreien Taranaki gibt. Ich hole meine Kamera aus der Tasche und will diesen Moment auf keinen Fall verpassen. Ein leichter Druck auf den Auslöser, das Objektiv stellt scharf, dann den Auslöser ganz runterdrücken und das Foto ist im Kasten. Leider doch nicht. Ich habe vergessen die Batterien zu laden und nun reicht die Spannung nicht mehr aus um den Spiegel der Kamera auszulösen. Der Berg steht nun in seiner ganzen Pracht vor uns und wir können nicht einmal ein Bild davon machen. Da kommt Martha die zündende Idee. Ich hab ja das Handy dabei. Die Qualität ist sicher nicht so gut wie bei der Spiegelreflex-Kamera aber zur Not sollte es reichen. Und  tatsächlich haben wir das Bild vom Taranaki ohne Wolken doch noch bekommen. Es war wirklich schnelles Handeln angesagt, denn Minuten später hat sich die Spitze wieder in einen weissen Schleier verhüllt. So hat der Tag doch noch einen versöhnlichen Ausgang gefunden. Die letzte Wegstrecke an der Westküste entlang bis nach Auckland bietet laut Reiseunterlagen nicht mehr sehr viel Spektakuläres. So fahren wir eine lange Strecke über Weitara, Otorohnga bis nach Hamilton. Wir schlendern durch die viertgrösste Stadt Neuseelands. In der City gibt es die üblichen kleinen Cafés und Einkaufsläden und einige architektonisch reizvolle Gebäude zu besichtigen. Richtig toll finden wir den Park im und um den Hamilton Lake. Ein ideales Naherholungsgebiet für die stressgeplagten Städter. Es stehen sehr schöne und zum Teil auch ausgesprochen luxuriöse Häuser am Wasser. Doch ganz am Ufer entlang führt ein öffentlicher Weg, der für viele Freizeitaktivitäten genutzt wird. Wir entdecken im See riesige Teppiche von Seerosen. Es ist ein wahrlich eindrückliches Bild wenn sich diese mit ihren, weissen, rosa, gelben und roten Blüten nach den ersten warmen Sonnenstrahlen öffnen. Viele
Grünanlagen am See laden zum Bleiben ein. Kinderspielplätze und Restaurants komplettieren das Rundum-Sorglospaket. An unserem zweitletzten Tag führt uns der Weg zurück nach Auckland. Wir wollen uns natürlich noch von Tell, der uns einen so herzlichen Empfang zu beginn unserer Reise gemacht hat, uns die nähere Umgebung der Stadt gezeigt und mich mit den Regeln des neuseeländischen Strassenverkehrs vertraut gemacht verabschieden. Ebenfalls verabschieden dürfen wir uns von unserer lieben Gastfamilie, den Colpi’s, bei denen wir nochmals für eine Nacht campieren dürfen und die uns vor unserer Weiterreise nach Australien zu einem zünftigen und gemütlichen Raclette-Abend eingeladen haben. So wird der sonst schon schwere Abschied von Neuseeland noch schwerer. Gerne wären wir hier noch ein paar Wochen geblieben. Es ist wirklich ein Traumland, mit ausgesprochen lebensfrohen Menschen, einer überwältigenden Natur und mit für Schweizer Verhältnisse immenser Grösse. Zudem hatten wir ein riesiges Wetterglück. In den drei Monaten vielleicht 5 oder 6 wirkliche Regentage und sonst meistens schönes Frühlings resp. Sommerwetter. Wir hatten am Anfang diesbezüglich schon einwenig Bauchschmerzen, denn Bekannte von uns hatten hier schon Monate lang nur schlechtes Wetter gehabt. Auch mit unserem lieb gewonnen Campervan, den wir nun leider wieder abgeben müssen, haben wir uns richtig angefreundet. Er war uns die ganze Zeit ein treuer Begleiter. Er gab bei den z.T. heftigen Steigungen stets sein Bestes und brachte uns über so manche Gravel Road an die entlegensten Orte. Nie hatten wir technische Probleme. Obwohl der Toyota Hiace schon bald 300'000 km auf dem Zähler hat läuft er wie ein Uhrwerk. Das bescheinigt dem Vermieter, Banz  Tours and Rentals Ltd (Kurt Binder) das beste Zeugnis. Wir würden beim sympathischen Schweizer jederzeit wieder ein solch gut gewartetes Fahrzeug mieten. Den Traum Neuseeland haben wir wirklich gelebt und genossen und freuen uns jetzt schon auf die Abenteuer in Down Under.